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Raus aus der Nische

Dank der neuen Software „Boot Camp“ läuft das Betriebssystem Windows ab sofort auch auf dem Mac. Apple will damit neue Käufer locken. Die eingeschworenen Apple-Fans tragen es mit Fassung

VON MICHAEL BRAKE

Apple war sich wohl selbst nicht ganz sicher, wie offensiv es seinen revolutionären Vorstoß verkaufen sollte. Gestern, am Tag nach der Ankündigung, dass das Betriebssystem Windows vom Konkurrenten Microsoft ab sofort auch auf Mac-Rechnern laufen wird, stand die Neuigkeit auf der Apple-Homepage jedenfalls klein und unscheinbar im News-Bereich. Auf der Startseite stellte man stattdessen lieber die neue Hi-Fi-Erweiterung für den iPod vor.

Hatte da vielleicht doch jemand Angst um die eigene Coolness? Immerhin ist die Positionierung als stylisher und benutzerfreundlicher Underdog in Abgrenzung zum übermächtigen Microsoft-Imperium einer der Markenkernwerte von Apple. Neben dem deutlich sichtbaren Design-Vorteil fußt die Abgrenzung zu wesentlichen Teilen auf den Vorzügen des hochgelobten Mac-eigenen Betriebssystems OS X gegenüber dem für Abstürze bekannten Marktführer Windows.

Doch Marktführerschaft ist Marktführerschaft, und nicht alle Software-Firmen machten sich die Mühe, für die OS-X-Benutzer mit ihrem 3-Prozent-Marktanteil extra eine eigene Version ihrer Programme auf den Markt zu bringen. Ein klarer Verkaufsnachteil, der Apples Strategie im Wege stand, sich vom Nischenanbieter für Designer und stylebewusste Großstadtmenschen einer breiteren Nutzerschaft zu öffnen. So überraschte Apple bereits im vorigen Jahr, als der Wechsel des Prozessorherstellers von IBM zu Intel bekannt wurde. Intel gilt in der Apple-Community gleichfalls als böser Teil der Microsoft-Galaxie.

Diese Neuausrichtung war die Voraussetzung für Boot Camp, wie der Arbeitstitel des neuen Windows-ermöglichenden Software lautet. Vorher bereits vorhandene Emulator-Programme, die auf der OS-X-Oberfläche Windows-Verhältnisse vorgaukelten, hatten aufgrund der Prozessor-Unterschiede stets heftige Geschwindigkeitseinbußen mit sich gebracht. Mit dem Einbau der Intel-Chips war es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis findige Hacker einen Weg finden würden, Windows auf Macs zum Laufen zu bringen. Und die Softwarefirma Parallels wurde besonders kalt erwischt. Gestern stellte sie ein ganz ähnliches Programm vor, das nun freilich viel weniger Beachtung erntete.

So revolutionär ist Apples Vorstoß also gar nicht, eher ein weiterer Schritt der allmählichen Annäherung von Mac- und Windows-Welt. Kompatibilitätsprobleme zwischen den beiden Systemen wurden bereits in der Vergangenheit abgebaut: Schon längst funktionieren die Programme des Microsoft Office auf Macs, umgekehrt läuft Apples iTunes-Software auch auf Windows-Rechnern.

Mit der neuen Software ist Apple nun der einzige Anbieter, auf dem beide Systeme laufen werden, und erhofft sich die Erschließung neuer Käuferschichten: Menschen, die Macs zwar irgendwie spannend finden, aber von Windows eben doch nicht lassen können. An der Börse sieht man das anscheinend ähnlich. Am Tag nach der Ankündigung stieg die Apple-Aktie um fast 10 Prozent.

Und die Nutzer? Die Meinungen in den Blogs und Foren waren tendenziell positiv: Viele freuen sich über neuen Möglichkeiten und bejubeln den Schritt als „Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag!“. Die Skeptiker machen sich hingegen Sorgen, dass nun der Druck auf die Softwareentwickler wegfällt, neue Programme auch für OS X zu programmieren – wo doch die Mac-Besitzer jetzt auch auf Windows umschalten könnten: „Dann dürfen wir nicht, sondern müssen Windows auf unseren Macs installieren.“

Bleibt noch die Frage, ob und wann der Schritt in die andere Richtung folgt: Aqua Design, aktive Ecken und die zahlreichen weiteren Vorzüge von OS X würden sicherlich auch viele Benutzer von klassischen PCs gerne nutzen. Inoffiziell soll es, etwa einem russischen Hacker, schon gelungen sein, OS X zum Laufen zu bringen. Apple und Microsoft dürften hingegen kein Interesse an dieser gegenläufigen Entwicklung haben: Apple würde das Alleinstellungsmerkmal seiner Macs einbüßen, Microsoft sein Quasimonopol im PC-Bereich.

So herum dürfte es also vorläufig nicht klappen. Aber immerhin: Windows für Macs ist ja ein Anfang. Und wenn Boot Camp mit dem Release der neuen OS-X-Version Anfang 2007 in seiner endgültigen Version auf den Markt kommt, gibt es eine neue Chance für das älteste uneingehaltene Versprechen der Computerbranche: dass Windows endlich mal funktioniert.

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