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betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Berlin oder Schwabylon, das ist hier die Frage. Wie ja überhaupt die Situation immer unübersichtlicher wird: Inländer, Ausländer, Touristen, Biodeutsche, Germans by Choice, Zugereiste, Wahlbeheimatete und Ureinwohner. Aber brauchen wir eine solche Übersicht überhaupt noch? „Echter Berliner!!! Ihr nicht Fuck you!“ heißt ein dokumentarischer Theaterabend, der am Dienstag im English Theatre in Kreuzberg Premiere hat (dem übrigens die Subventionen gestrichen wurden): sechs Performer, jeder aus einer anderen der oben aufgeführten Communitys stammend, reden über ihr Verhältnis zu Berlin beziehungsweise das Verhältnis der Berliner zu denen, die sie jeweils als Nichtberliner betrachten, seien es Schwaben, Amerikaner, Vietnamesen oder Charlottenburger. Das Stück basiert auf Interviews, die die Macherinnen und Macher mit sechzig unterschiedlichen Mitgliedern ihrer jeweiligen Community geführt haben. Mit von der Partie und auch für die Dramaturgie verantwortlich: die Schauspielerin Lara-Sophie Milagro von „Label Noir“. Regie führt der amerikanische Regisseur Daniel Brunet, der den Titel des Abends auf einem Stück Papier entdeckte, das er irgendwo am Schlesischen Tor an einer Wand kleben sah. (English Theatre: „Echte Berliner!!! Ihr Nicht Fuck You!“, ab 24. 9., 20 Uhr. Alle Infos: www.etberlin.de).

Ja, und wer kein U60er mehr ist, hat es manchmal auch nicht leicht. Denn ab dann zählt man nicht mehr. Gilt zumindest nicht mehr als relevant, um von Fernsehen, Werbung etc. angesprochen zu werden. Die über 60-Jährigen werden in schwimmende Gettos namens Kreuzfahrtschiffe interniert und manchmal auch klammheimlich vor irgendeiner Küste versenkt. Siehe „Costa Concordia“. Da heißt es, sein Schicksal lieber selbst in die Hand zu nehmen: wie Opa Friedrich zum Beispiel. Die Familie will ihn ins Heim stecken, weil er einen Zimmerbrand verursacht hat. Aber er will nicht und tut das, was seine Generation einmal erfunden hat: Er gründet mit seinem Freund Hannes eine WG. Bald ziehen auch die Enkel ein, von der Sehnsucht der Großväter nach Selbstbestimmung angesteckt. So jedenfalls will es die schöne Utopie, die das Stück „Die letzte Kommune“ im Grips Theater ausmalt. „Ein Schauspiel mit Musik“ haben Peter Lund und Thomas Zaufke ihr Musical genannt, in dem ein Grips-Ensemble aus drei Generationen auf der Bühne des Hauses am Hansaplatz stehen wird, das so auch ein bisschen seine eigene Theaterbiografie miterzählt. Regie führt Franziska Steioff. (Grips Theater: „Die letzte Kommune“, Uraufführung 21. 9., 20 Uhr)

■ Mehr Theater: Deeply, really, truly SEITE 9

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