: „Kompetenter als die Männer, die da waren“
CHEFINNEN Nach der Wahl könnte die feste Frauenquote kommen. Frauen ersetzen dabei inkompetente Männer, sagen Forscher
■ Jahrgang 1954. Der schwedische Ökonom ist Direktor des „Institute for International Economic Studies“ in Stockholm. Die Studie „Gender Quotas and the Crisis of the Mediocre Man“ kann man problemlos googeln und runterladen.
INTERVIEW HEIDE OESTREICH
taz: Herr Persson, in Deutschland sagen viele: Mit der Frauenquote werden kompetente Männer durch inkompetente Frauen ersetzt. Sie sagen, es sei genau andersherum. Wie kommen Sie darauf?
Torsten Persson: Wir haben die Politik in allen Kommunen Schwedens untersucht – vor der Einführung der Quote und danach. Nach unseren Daten ist es in vielen Gemeinden so, dass die Kompetenz der PolitikerInnen auf den Wahllisten mit der Frauenquote steigt. Es hängt davon ab, wie die Situation vor Einführung der Quote war.
Also davon, ob es zuvor schon viele Frauen auf den Listen gab?
Davon und von der Kompetenz der Parteiführer. Fast alle Kommunen haben männliche Parteiführer. Es hängt von ihrer Fähigkeit ab, ob nach Einführung der Quote mehr kompetente Personen auf den Wahllisten stehen oder nicht.
Gute Führer machen guten Nachwuchs?
Ja. Ein wenig kompetenter Parteichef hat Angst, dass fähigere Menschen ihn ersetzen könnten. Er wird mediokre Personen auf die Wahllisten setzen, die ihm nicht gefährlich werden können. Zudem zeigen unsere Zahlen, dass diese weniger guten Parteiführer auch immer weniger Frauen auf ihren Wahllisten haben. Hier ist der Effekt der Quote, wenn sie eingeführt wird, sehr ausgeprägt. Denn die Frauen, die nun kandidieren, sind in der Regel kompetenter als die wenig fähigen Männer, die zuvor auf der Liste standen.
Woher wissen Sie das?
Das war zunächst eine Hypothese. Aber wir haben Daten aus allen schwedischen Kommunen ausgewertet, und das Ergebnis hat unsere Hypothese bestätigt.
Wie messen Sie die Kompetenz?
Wir haben zuerst die Bildung berücksichtigt. Dazu kommt, ob die Menschen in ihrem Beruf erfolgreich sind. Das messen wir an ihrem Einkommen relativ zu ihren BerufskollegInnen in ihrem Alter und in ihrer Region.
Sie wollen sagen: Wer reich ist, ist auch kompetent? Und Arme sind inkompetent?
Nein, wir vergleichen nicht Bauarbeiter mit Juristen. Aber innerhalb dieser Gruppen gehen wir davon aus, dass jemand mit höherem Einkommen kompetenter ist als jemand mit niedrigem Einkommen.
Dabei gehen aus Menschen, die im Beruf scheitern, oft passable PolitikerInnen hervor, oder?
Das ist die Ausnahme. Wir haben unsere Daten auf zwei Wegen validiert: Die von uns als kompetent bezeichneten PolitikerInnen wurden auch mit größerer Wahrscheinlichkeit wiedergewählt oder hatte höhere Stimmenzahlen bei einer Wahl als die inkompetenten. Sie hatten also mehr politischen Erfolg. Außerdem haben wir unsere Daten mit denen der Armee abgeglichen: In Schweden wird jeder Mann vor dem Militärdienst einer Reihe von Tests unterzogen, darunter ein Intelligenztest und einer für Führungskompetenz. Die Ergebnisse stimmten mit unseren überein.
Und wie hängt das nun mit den Frauen zusammen?
Weniger fähige Führungskräfte setzen weniger Frauen auf ihre Wahllisten. Deshalb bewirkt die Quote dort eine entscheidende Veränderung: danach sind viel mehr Frauen da. Und diese Frauen sind meistens kompetenter als die Männer, die vorher da waren. Das heißt, die Quote zwingt die Parteiführer, kompetentere Frauen aufzustellen – und diese werden dann auch gewählt, und zwar gerne. Sie schneiden besser ab als die Männer. Diesen Effekt sehen wir aber nur bei schwachen Parteiführern. Stärkere haben ohnehin mehr Frauen aufgestellt, da gibt es nach der Einführung der Quote keine großen Unterschiede in der Kompetenz.
Aber die Frage, ob man jemanden fördert, also auf die Liste bringt, ist doch von ganz anderen Fragen gesteuert als der Kompetenz, oder? Man war in derselben Schule, hat ein besseres Netzwerk und bekommt deshalb auch mehr Stimmen.
Sicher gibt es all diese Phänomene. Aber unsere Daten weisen darauf hin, dass die Auswahl auch von der tatsächlichen Kompetenz abhängt.
Männer profitieren doch eigentlich davon, dass sie ohnehin immer für kompetenter gehalten werden als Frauen.
Ich bin vielleicht etwas verwöhnt vom Wissenschaftlerdasein, aber nach einer halben Stunde Gespräch merkt man doch, ob jemand kompetent ist oder nicht.
Warum suchen sich inkompetente Führer nicht auch inkompetente Frauen für ihre Listen? Frauen, die ihnen nicht gefährlich werden können?
Das ist eine interessante Frage. Wir haben auf den Listen einfach kompetentere Frauen gefunden. Es gab vielleicht nicht so viele mediokre Frauen, sodass notgedrungen die kompetenteren auf den Listen landeten.
Also gab es das Phänomen der unqualifizierten Quotenfrauen nicht?
In unseren Daten war diese Quotenfrau tatsächlich kaum zu finden. Nur wenn vor der Einführung der Quote schon viele Frauen auf der Liste waren, ging die Kompetenz mit der Quote etwas nach unten. Aber die Regel in männerdominierten Bereichen ist genau das Gegenteil: Mit den Quotenfrauen steigt die Kompetenz der Frauen und auch der Männer. Das ist eine Win-win-Situation.
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