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KunstrundgangDominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Die Malerei der Neuen Leipziger Schule – das war unverhohlene Melancholie, tendenziell pastellig-verkitscht; das war verträumte Jungmänner-Tristesse, garniert mit einem großen Schlag geheimniskrämerischer Symbolik obendrauf. Ja, genau so ist das gewesen, als der Kunstbetrieb sich vor ein paar Jahren sein ostdeutsches Malereiwunder zusammenzimmerte. Und so ist es irgendwie auch immer noch auf den neuen Bildern von Tilo Baumgaertel, die gerade in der Galerie Christian Ehrentraut zu sehen sind. Doch im Unterschied zum Output vieler seiner Weggefährten geraten Baumgaertels Zeichnungen stets sehr comic-haft; was all die kleinen verhuschten Mädchen und geschwind dahineilenden Männchen, die bärtigen Seemänner und die Spinnenfrauen sehr viel besser erträglich macht – weil es die eigene Distanzierung gleich mitliefert und das Personal der Bilder von jener bei dieser Art figürlicher Bildproduktion ansonsten üblichen existentiellen Schwere befreit. Und mit seinem Film-Schaukasten im Herzen der Ausstellung driftet Baumgaertel sowieso schon längst in Richtung einer verstrahlt-psychedelischen Version von klassischen Kinder-Animationsfilmen. Ingo Mittelstaedt dagegen träumt nicht so viel, zumindest nicht so offensichtlich. Dafür guckt er öfter mal am Straßenrand nach, was so liegengeblieben ist. Mittelstaedt sammelt seltsame Objekte und Treibgut, Hölzchen und Stöckchen. In seiner Ausstellung in der Galerie Koal thematisiert er das Verhältnis zum undefinierbaren Ding dann auch gleich in einer Fotoserie, in der Menschen knitterige Folie an den Bauch pressen, als wäre es der eigene Nachwuchs. Sowieso ist Mittelstaedts zentrales Medium eigentlich die Fotografie. Und die wird in seiner Ausstellung permanent auf den Prüfstand gestellt – zwischen purer Abbildung, Manipulation und Autonomie.

■ Tilo Baumgaertel, bis 5. Juni, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Galerie Christian Ehrentraut, Friedrichstr. 123 ■ Ingo Mittelstaedt, bis 30. Mai, Di.–Fr. 12–19 Uhr, Sa. 11–18 Uhr, Galerie Koal, Tucholskystr. 25

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