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Eine strahlende Zukunft – auch ohne AKW

Seit der Stilllegung von Würgassen 1996 läuft in NRW zwar kein Atomkraftwerk mehr. Aber die Reaktoren strahlen vor sich hin. Zwischenlager, Urananreicherung und Forschungszentrum komplettieren den Atomstandort

Nordrhein-Westfalen bleibt auch 20 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Atomstandort. Trotz Stilllegung der beiden Atomkraftwerke in Hamm und Würgassen rollen weiter Castoren mit strahlendem Müll ins Zwischenlager im münsterländischen Ahaus. Sogar noch ausgebaut wird derzeit die Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) an der Landesgrenze zu den Niederlanden und Niedersachsen. Die Atomfabrik kann 14 große Atomkraftwerke versorgen, derzeit wird die Kapazität zur Versorgung von 35 Meilern erweitert.

Ebenfalls ein wichtiges Standbein der Atomindustrie ist das Grundlagenforschung betreibende Forschungszentrum Jülich, 1959 als Kernforschungsanlage Jülich gegründet. „Auch nach der Umbenennung 1990 wird hier mehr oder weniger offen zur Verbesserung der Atomtechnik geforscht“, sagt der Atomkraftgegner Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg aus Münster. „Dies dient letztlich dem Bau neuer Reaktoren“, klagt er. „Die neue Generation von Atommeilern, die gerade in Südafrika und China gebaut wird, basiert ganz wesentlich auf Jülicher Ergebnissen.“ Kräftig mitfinanziert wird das Forschungszentrum von der Landesregierung. Immerhin zehn Prozent des Etats stammt aus Düsseldorf, der Rest kommt vom Bund.

Völlig unklar bleibt auch die Zukunft der ehemaligen Atomkraftwerksstandorte Hamm-Uentrop und Würgassen. Der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) an der Lippe strahlt wie das Kraftwerk an der Weser weiter vor sich hin. Von der „grünen Wiese“, die einst von der Atomindustrie für die Zeit nach der endgültigen Stilllegung versprochen wurde, fehlt dagegen jede Spur. Und selbst der Landesministerin für Wirtschaft und Energie, Christa Thoben (CDU), fehlt jede Idee, wann die still gelegten Meiler abgerissen werden könnten. „Da müssen Sie in Berlin nachfragen“, so Thobens Sprecher Joachim Neuser auf taz-Anfrage. Dabei hatte Thoben noch im Januar laut über neue Hochtemperaturreaktoren nachgedacht. Für Hamm und Würgassen aber gilt: Die Endlagerfrage ist nicht geklärt. Und ohne Endlager kein Abriss der Reaktorkerne, so Thobens Sprecher Neuser.

Dabei fressen Nordrhein-Westfalens Atommeiler selbst im Stilllegungsbetrieb Millionen. „Insgesamt kostet die Sicherung des THTRs seit 1998 jährlich 5,6 Millionen Euro“, ärgert sich Horst Blume von der Hammer Bürgerinitiative Umweltschutz. „Und davon trägt die Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH als Betreiberkonsortium gerade einmal drei Prozent.“ Den Rest zahlen Land und Bund.

ANDREAS WYPUTTA

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