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Zuckerordnung hilft den Großen

Die Einkommen der Rübenbauern werden um knapp 20 Prozent sinken. Zum Ausgleich werden die Betriebe wachsen und noch stärker rationalisieren müssen

Die Zuckermarktordnung führt zu mehr Industrialisierung der Landwirtschaft

BERLIN taz ■ Die knapp 47.000 Zuckerrübenbauern in Deutschland müssen in den kommenden Jahren jeweils mit mehreren tausend Euro pro Jahr weniger auskommen. Die neue EU-Zuckermarktordnung, die am 1. Juli in Kraft tritt, führt dazu, dass die Zuckerfabriken den Bauern Jahr für Jahr weniger Geld für ihre Rüben zahlen. Gestern diskutierten Experten auf einer Tagung der Nord-Süd-Initiative Germanwatch in Bonn über die Konsequenzen der Zuckermarktreform für die hiesigen Bauern und mögliche Alternativen.

Der festgelegte Mindestpreis für Zucker sinkt bis 2009 in Folge der Marktliberalisierung um fast 40 Prozent. Zwar gibt es für einen begrenzten Zeitraum Ausgleichszahlungen. Dennoch wird das Einkommen der Rübenbauern in Deutschland durchschnittlich um 20 Prozent sinken, haben Agrarexperten der Uni Hohenheim berechnet. Für manche knapp kalkulierenden Familienbetriebe bedeutet dies möglicherweise das Aus.

Das bisherige System aus Anbauquoten, Einfuhrzöllen und garantierten Preisen hat zwar bei den Bauern für sichere Einnahmen gesorgt. Doch weil es sich deshalb auch lohnte, teuren Rübenzucker zu Dumping-Preisen auf den Weltmarkt zu werfen, hat die Welthandelsorganisation WTO auf Druck des Zuckergiganten Brasilien die EU zum Aufgeben der alten Marktordnung gezwungen.

Wer nun überleben will, muss wachsen, lautet eines der Ergebnisse, das von Germanwatch beauftragte Experten gestern präsentierten. Denn Größe senkt die Kosten, weil Maschinen effektiver eingesetzt werden können. Weil die Pachtpreise für zusätzliches Land aber derzeit hoch sind, sind für viele Landwirte nur Fusionen und Kooperationen mit anderen Landwirten sinnvoll. Ein durchschnittlicher Betrieb von 80 Hektar könnte gut 12.000 Euro an Kosten sparen, wenn er sich mit einem anderen gleich großen Betrieb zusammenschließt.

Die neue Zuckermarktordnung wird also die Industrialisierung der Landwirtschaft verstärken. Der Druck steigt auch, weil sich der Zuckerpreis zukünftig am Zuckergehalt der Rübe orientieren wird und die Bauern stärker als bisher auf hochgezüchtetes Saatgut aus dem Labor angewiesen sind. Und so mancher Bauer dürfte seine Hoffnung auf genmanipulierte Pflanzen setzen, die weniger empfindlich und ertragreicher als herkömmliche Rüben sind. Für viele Betriebe könnte es allerdings günstiger sein, sich ganz von der Zuckerrübe zu verabschieden – und stattdessen auf Raps und Mais für Biogas oder Biodiesel zu setzen. STEPHAN KOSCH

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