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ZWISCHEN DEN RILLENDrake macht alles anders

Drake: „Nothing Was the Same“ (Cash Money/Universal)

Drake ist der melancholische Künstler, der mit der Stripperin aus dem Club am liebsten durchbrennen würde

Wann immer man über HipHop liest, wird eine Demarkationslinie zwischen dem aktuellen Hype du jour (lies: Kanye West, Kid Cudi, Kendrick Lamar) und einer diffusen Übermacht von „Bling Bling“-Rap aufgemacht. Dabei gilt es auch in der HipHop-Szene nicht mehr als cool, den neureichen „Scarface“-Typus zu markieren.

Zu diesem Paradigmenwechsel hat der Kanadier Aubrey „Drake“ Graham wesentlich beigetragen. Die Stereotype der Straßenecke musste er gar nicht erst überwinden, weil er in gutbürgerlichen Verhältnissen in Toronto aufgewachsen ist und schon als Kinderschauspieler in einer Highschool-Seifenoper Karriere machte. Später entdeckte er Musik als wahre Bestimmung und wandte das aus der Fernsehwelt verinnerlichte Leistungsprinzip auf seine neue Disziplin an. Seine ersten beiden Alben „Thank Me Later“ und „Take Care“ setzten zusammen knapp vier Millionen Einheiten ab.

Drake macht alles anders und ist doch HipHop genug, um zumindest von einem Teil der Szene geliebt zu werden. Der Rest hasst ihn für seine „verweichlichte“, „feminine“ Form von Rap. Denn Graham inszeniert sich nicht als Gangsta-Superheld, ist kein politischer Agitator oder volksnaher sozialer Kommentator. Stattdessen rappt er über die Fallstricke des frühen Ruhms, über die Beziehungsunfähigkeit der Generation Maybe.

Seine Inszenierung von Männlichkeit geht dabei weit über die Omnipotenz des superreichen Megastars hinaus: Drake ist der melancholische Künstler, der mit der Stripperin aus dem Club am liebsten durchbrennen und ihr den Weg in ein neues Leben weisen würde. Ganze Webseiten widmen sich mittlerweile der Ironisierung dieser Haltung: „Auf dem neuen Drake-Album handelt ein ganzer Song davon, wie es keiner seiner Freunde bemerkt hat, als er einen neuen Haarschnitt hatte“, twitterte etwa der irische Underground-Rapper Rejjie Snow, um kurz darauf hinzuzufügen: „Drake ist jetzt offiziell ein Gefühl.“

Als wollte sich Drake diese Satire nicht gefallen lassen, klingt sein drittes Album „Nothing Was the Same“ aggressiver und angriffslustiger als die beiden Vorgänger.

Auf musikalischer Ebene definiert Drake zusammen mit seinem Produzenten Noah „40“ Shebib schon seit einigen Jahren den Sound des Jetzt. Shebib kreiert atmosphärische Räucherstäbchen-Beats voller Moll und Hall, aus Klavierakkorden, Sub-Bässen und 808-Drums, perfekt zugeschnitten auf Drakes melodiösen Rap-Stil. Die musikalische Bandbreite auf „Nothing Was the Same“ reicht von poppigem Midtempo-R&B bis hin zu brodelnden Club-Nummern und Rückgriffen auf den pompösen Sampling-HipHop der „Blueprint“-Ära.

Aus all diesen Gründen wird Drake als Wissender im Mainstream wahrgenommen und daher auch von HipHop-Fans jenseits der 30 gefeiert. Als Künstler hat Aubrey Graham sich in den letzten vier Jahren gefunden, irgendwo zwischen Marvin Gaye und Ma$e, zwischen James Blake und Jon B. Ganz nebenbei hat er ein Genre revolutioniert. „Nothing Was the Same“ setzt dem „Drake-Gefühl“ ein Denkmal, es ist „Melo-Rap“ nahe an der Perfektion.

STEPHAN SZILLUS

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