: Bilder für „Bild“
So was macht man nicht II: Wie ein Fotograf in Tübingen an das Foto eines getöteten Kindes kam
Tübingen ist geschockt: „Ein Kind ist Opfer eines Terroranschlags in Ägypten geworden. Ein Tübinger Kind“, schrieb gestern das lokale Schwäbische Tagblatt. Es geht um einen 10-Jährigen, der am Dienstag beim Anschlag in Dahab starb. Sein Bild prangte schon am Mittwoch auf dem Titel der Berlin-Brandenburger Ausgabe der Bild-Zeitung: „Tod in der Terror-Hölle“.
Das Foto, berichten Schwäbisches Tagblatt und bildblog.de, hat ein freier Fotograf in Tübingen „besorgt“ – indem er sich als Mitarbeiter der Lokalzeitung ausgab: „In einem Fall schreckte ein Journalist laut einem Elternbericht nicht davor zurück, Kinder, die gerade alleine zu Hause waren, mit der Suche nach einem Foto des getöteten Jungen zu behelligen“, so das Tagblatt. Und weiter: „Der Journalist gab sich den Kindern gegenüber als Tagblatt-Mitarbeiter aus.“ Dem später hinzugekommenden Vater eines der Kinder, so gestern Tagblatt-Redakteurin Ulrike Pfeil zur taz, habe der Fotograf erklärt, er arbeite für Springers Welt.
Wie das Foto dann den Weg zu Bild fand, muss fürs Erste unklar bleiben: Der freie Fotograf selbst, dessen Website seit der Kontroverse vom Netz ist, schweigt: „Ich kann dazu nichts sagen.“ Er bittet, sich doch ausschließlich an die Pressestelle von Axel Springer zu wenden. Also spricht Springer-Sprecher Tobias Fröhlich: Der Fotograf habe „glaubhaft versichert, er habe sich nicht als Mitarbeiter des Schwäbischen Tagblatts ausgegeben. Wir gehen davon aus, dass seine Recherchen auch insgesamt korrekt verlaufen sind.“
Ein typischer Kreislauf. Zumal sich Springer im Fall unlauterer Methoden jederzeit von seinem freien Mitarbeiter distanzieren könnte. Laut Ziffer 4 des Presserats-Kodex, zum dem sich Springer ausdrücklich bekennt, dürfen „bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen und Bildern (...) keine unlauteren Methoden angewandt werden“. Außerdem ist „gegenüber schutzbedürftigen Personen (...) besondere Zurückhaltung geboten“, dies betrifft ausdrücklich „Kinder und Jugendliche“. Der Presserat ist das Selbstkontrollorgan der Zeitungen und Zeitschriften. Dass beim „Besorgen“ derartiger Fotos und Informationen aber immer die Ethik auf dem Spiel steht, zeigt sich selbst bei der Deutschen Presse-Agentur. Sie hat ein Foto der Mutter des getöten Jungen verbreitet, aufgenommen im Krankenhaus in Ägypten. Die Frau, selbst Journalistin, ist sichtlich benommen. Der dpa-Fotograf habe sich aber ausdrücklich ihre Zustimmung geholt, so dpa. Natürlich, so eine dpa-Mitarbeiterin gestern zur taz, stünden Menschen in einer solchen Situation unter Stock und hätten andere Probleme. Aber: „Das ist kein Abschuss.“ Vor der Aussendung habe man sich hier sogar extra rückversichert – und 20 Minuten Verzögerung in Kauf genommen. STG
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