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Demonstranten heizen Parlamentariern ein

Nepals neuer Premier kann nicht vereidigt werden. Maoisten machen Druck. Abgeordnete sollen Waffenruhe erklären

DELHI taz ■ In Nepals Hauptstadt sollte sich gestern eigentlich die Politik von der Straße wieder ins Parlament verlagern: Die rund 200 von insgesamt 205 Abgeordneten besetzten zum ersten Mal nach vier Jahren wieder ihre Bänke, nachdem König Gyanendra im Mai 2002 das Parlament hatte auflösen lassen. Doch es waren einmal mehr die Menschen auf Kathmandus Straßen, die zunächst das politische Geschehen bestimmten.

Zehntausende Anhänger der verbotenen Kommunistischen Partei (Maoisten) versammelten sich vor dem Parlament und forderten die eintreffenden Abgeordneten drohend auf, mit dem Plan der Wahl für eine verfassunggebende Versammlung rasch ernst zu machen. Viele machten auch klar, was für sie die wichtigste Änderung im neuen Grundgesetz sein sollte: die Abschaffung der Monarchie.

Eine Verzögerung ergab sich, weil der von der Sieben-Parteien-Allianz (SPA) designierte Regierungschef Girija Prasad Koirala vom Nepali Congress nicht wie geplant am Morgen von König Gyanendra vereidigt werden konnte. Der 84-jährige Kettenraucher musste sich unter ein Sauerstoffzelt begeben, nachdem sich eine Bronchitis zur Lungenentzündung entwickelt hatte. Koirala, Chef der größten Partei des Landes ist, war als ältester Abgeordneter auch die automatische Wahl für das Präsidium des Abgeordnetenhauses.

Koirala hatte bereits der Siegesparade am Donnerstag fernbleiben müssen, bei der mehrere tausend Zuschauer den Parteien deutlich erklärten, dass sie von ihnen nun rasches Handeln erwarteten. Am gestrigen späten Nachmittag schlug dann Koiralas Stellvertreter Chitra Lekha Yadav einen Waffenstillstand mit den Maoisten und Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung vor. Darüber soll das Parlament jetzt am Sonntag entscheiden. Trotz der aufgeheizten Stimmung der Straße wird die Krankheit Koiralas nicht der einzige Bremsklotz bleiben, der die Dynamik der Volksbewegung blockieren könnte. Denn das vorrangige Problem ist die Einbeziehung der Maoisten, die sich mit der SPA den Sieg über die autoritäre Monarchie teilen.

Die Bilder maoistischer Anhänger vor dem Parlament waren auch ein Symbol, dass sie sich nun in die politische Arena des Landes zurückbegeben wollen. Diese Bereitschaft hatten sie nach Verhandlungen mit der Sieben-Parteien-Allianz im letzten November in Delhi feierlich bekundet. Sie würde eine Aufgabe des bewaffneten Kampfs und ein Ende des Bürgerkriegs bedeuten, der in den letzten zehn Jahren über 13.000 Menschen das Leben gekostet hat. Dies ist eine überaus wichtige Konzession der Maoisten und paradoxes Resultat des arroganten Verhaltens des Königs.

Am Donnerstag hatten sie einen einseitigen dreimonatigen Waffenstillstand für das ganze Land erklärt. Damit wollen sie den Reformen Zeit geben, nachdem König Gyanendra durch die Massenproteste der vergangenen Wochen zum Rückzug gezwungen worden war.

Die Integration der Maoisten hat aber ihren Preis. Obwohl sie als außerparlamentarische Opposition nicht Teil der neuen Regierung sind, erwarten sie, in jenen Gremien, die die Wahlen für ein Verfassungsparlament vorbereiten, Sitz und Stimme zu erhalten. Die Maoisten insistieren auf einer Neuziehung der Wahlbezirksgrenzen, da die bisherige Demarkation die Bergstämme und Armen des Landes gegenüber den Städten benachteilige.

Besonders schwierig wird die Frage der Entwaffnung der Guerillakämpfer und – später – ihre Integration in die Streitkräfte des Landes sein. Vermutlich wird versucht werden, die Militärs beider Seiten während des Wahlkampfs unter eine Art internationale Aufsicht zu stellen.

BERNARD IMHASLY

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