: „Im Geld steckt das Potenzial zur Freiheit“
GEWINNE Thomas Jorbergs GLS Bank hat Riesenerfolg. Obwohl sie ökosozial handelt. Oder genau deshalb? Ein Gespräch über Gier, Griechenland und unser Verhältnis zum Geld
■ Herkunft: Geboren 1957 in Rothenburg ob der Tauber. Jugend im Remstal, Schwaben. Waldorfschüler, Banklehre, Diplom-Ökonom.
■ Banklaufbahn: Azubi bei der GLS Bank, 1993 Vorstand, 2003 Vorstandssprecher. Bezieht ein Festgehalt, etwa das Zehnfache eines Berufseinsteigers. Keine Boni.
■ Privat: Verheiratet, zwei erwachsene Kinder, er lebt mit seiner Familie in Bochum.
INTERVIEW PETER UNFRIED
taz: Wenn jemand Sie fragt, was Sie beruflich machen, Herr Jorberg, sagen Sie dann: Banker?
Thomas Jorberg: Ich saß mal in einem Sightseeing-Bus in New York, und da war ein Reiseführer, der durch die Reihen ging und die Leute fragte, was sie machen. Ich sagte es ihm. Und er sagte: Okay, ich sag’s nicht weiter.
Sie hätten ihm auch antworten können, dass sie ein Banker sind, aber kein böser Banker.
Das wird im persönlichen Gespräch dann schon klar.
Die GLS Bank ist eine Genossenschaftsbank mit Filialen in sieben Städten. Sie war die erste deutsche Bank, die sozial-ökologisch arbeitet. Letztes Jahr ist sie trotz Krise um 33 Prozent gewachsen. Warum?
Viele haben in der Finanzkrise Geld verloren oder gesehen, wie andere Geld verloren haben. Das reine Streben nach dem möglichst höchsten Zins, egal womit und mit wem dieser erzielt wurde, hat zu den größten Verlusten geführt und sich damit selbst ad absurdum geführt. Dass es sozial und ökologisch fragwürdig ist, das war vielen klar. Aber dass es auch ökonomisch unsinnig sein kann, war eine neue Erfahrung für viele. Das hat viele zum Handeln gebracht. Und damit zu uns.
Hat Griechenland Sie schon nach einem Kredit gefragt?
Sehr witzig. Bei den Griechen ist es so, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt und das vertuscht haben. Aber eben mit Hilfe von Produkten des Finanzmarktes.
Die EU hilft Griechenland jetzt mit 110 Milliarden Euro aus. Wir bezahlen für deren Party?
Sie können es auch so sehen: Solange wir diese Art Finanzprodukte zulassen, wird es solche Blasen geben.
Ist das Bankensystem grundsätzlich falsch?
Ich differenziere zwischen dem sinnvollen Anlagen- und Kreditgeschäft und dem Spekulativen. Letzteres ist das Problem. Auf der einen Seite konnte man etwas dermaßen verschleiern, dass selbst die Europäische Zentralbank es nicht richtig gemerkt hat. Oder nicht merken wollte. Auf der anderen Seite haben einige auch mit den Schwierigkeiten Griechenlands gehandelt. Der Fall zeigt, dass wir es nach wie vor nicht mit stabilen Finanzmärkten zu tun haben.
Würden Sie Griechenland denn Geld geben?
Den Griechen wäre mehr geholfen, wenn man akzeptierte, was passiert ist, nämlich eine Staatspleite. Jetzt leihen wir ihnen Bonität und sind darauf angewiesen, dass sie durch Sparen ihre Bonität zurückerlangen. Aber kategorisches Sparen kurbelt nicht die Wirtschaft an. Wenn es nicht funktioniert, bleiben irgendwann nur Forderungsverzicht oder Inflation.
Was wurde eigentlich aus dem viel beschworenen Umdenken?
Das grundsätzliche Problem ist die Abwendung von der Realwirtschaft hin zu einer abstrakten Geldanlage, bei der es nachrangig ist, was produziert wird. Zu viel Kapital, das Rendite will, führt zu Inflation. Die Politik hat nichts aus der Finanzkrise gelernt. Sie muss bestimmte Finanzprodukte verbieten. Die abstrakten Geschäfte bedeuten das größte Risiko und den größten Gewinn. Im Moment überlegt man nur, wie man Risiken abmildern kann. In einer wirklichen Krise ist das zu wenig.
Sollte, wer Geld hat, jetzt schnell ein Haus oder einen Wald kaufen – oder lieber alles raushauen?
Wenn man etwas übrig hat, kann man es anlegen oder ausgeben. Aber die Hauptfrage ist ja die Altersversorgung. Da bietet sich eine gleichmäßige Verteilung an – und unter anderem auch Immobilien. Aber die meisten haben ja gar nicht so viel Geld.
Gerade der Deutsche aus der vormals fidelen Mittelschicht hat neuerdings Angst, abzustürzen. Angst macht unsozial.
Unsere Wahrnehmung ist, dass wenige aus Angst zu uns kommen. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Ich erlebe, dass mehr Menschen sich bewusst machen, dass es Zusammenhänge gibt zwischen der eigenen Geldanlage – und wie die Welt aussieht. Wir haben immer gesagt: Mit Geld umgehen, heißt Gesellschaft gestalten. Da haben viele noch vor der Krise fragende Augen gemacht.
Und seither?
Seither nicht mehr. Weil sie erlebt haben, dass das Geld gestaltet, und zwar leider auf eine sehr negative Art, wenn ich nur nach dem Zinssatz entscheide.
Postmaterialisten haben sich ostentativ nicht mit Geldverdienen beschäftigt. War uncool. Wie intensiv soll man sich mit Geld beschäftigen?
Geld und Wirtschaft dominieren in weiten Teilen unsere Gesellschaft. Und dieser Bereich kommt in der Schule so gut wie nicht vor. Dann kommt man aus der Schule raus oder einem Studium, und erlebt eine Welt, die nach dem Motto funktioniert: Geld ist zum Geldverdienen da. Die Aufgabe des Wirtschaftens ist es, Gewinne zu machen.
Sie sagen das beinahe verächtlich.
Gewinnmaximierung ist betriebswirtschaftlicher Unsinn. Wirtschaft ist dazu da, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Nur wenn ich das gut mache, kommt am Ende Gewinn dabei raus.
Sie fordern also, mit dem Geld bestimmte Werte anzustreben?
Kulturkreative, Postmaterialisten, Lohas, das sind Hilfsbegriffe, die sich immer wieder verändern. Aber ich glaube nicht, dass die derzeitige Entwicklung sich bald erledigen wird. Menschen machen sich ihre unterschiedlichen Bedürfnisse bewusst und denken: Ich kann auch etwas Vernünftiges mit meinem Geld machen. Die ganzen Typologisierungen lösen sich auf. Eine Zeit lang konnten sich viele nichts anderes vorstellen, als grün zu wählen.
Und heute?
Heute kuckt man sich die Grünen an und fragt sich: Was wollen sie konkret? Mir bietet eine Partei nicht mehr alles. Es ist differenzierter geworden. Man hat nur die Chance noch nicht erkannt, die darin steckt. Genauso wie man beim Konsum nicht erkannt hat, dass man tatsächlich eine Wahl hat.
Auch wenn man arm ist und hungert?
Wir sind heute nicht mehr in der Situation, dass wir Hunger leiden müssten. Es wäre blind zu sagen, dass der Markt kein außerordentlich erfolgreiches Modell ist. Wir haben Angebotsüberhang, keine Knappheit, das war zur Gründung der Marktwirtschaft andersherum. Wir kriegen es aber nicht hin, es so zu organisieren, dass das Angebot an alle verteilt werden kann. Geld ist das Organisationsmittel. Wir tun so, als wäre Natur im Überfluss da, obwohl sie das knappste Gut ist.
Kann man mit Geld den Klimawandel stoppen?
Mit Geld kann man nichts stoppen. Aber mit sinnvollen Investitionen in Projekte, die finanziert werden müssen, kann man den Klimawandel verlangsamen. Nicolas Stern, der ehemalige Chef der Weltbank, geht davon aus, dass wir zwei Prozent des Bruttosozialprodukts der Welt brauchen, das sind 400 bis 800 Milliarden jährlich. Das wäre vor kurzem noch eine unvorstellbare Zahl gewesen. Heute würde man sagen: Wo ist das Problem? Nein, wir haben kein Geldproblem.
Sondern ein Politikproblem, wie Sie sagen?
Die Politik sollte gar kein Geld irgendwo hinschieben, sondern klare Rahmenbedingungen schaffen. Wenn sie im Energiebereich keine klaren Vorgaben machen, dann verhält sich die Wirtschaft entsprechend. Politik und Gesellschaft sind technikverliebt, aber wenn es dann um etwas geht, heißt es, das sei nicht umsetzbar. So schnell können Sie überhaupt nicht gucken, wie das geht.
Viele Menschen verstehen unter Gerechtigkeit auch ein Recht auf Billigfliegen.
Das ist missverstandener Verbraucherschutz. Der Bürger soll froh sein, wenn er erst in Athen wieder runterkommt für 19 Euro. Auf Sicherheit hat er Anspruch, aber nicht darauf, dass die Fluggesellschaft nicht pleitegeht. Jeder weiß doch, dass man für 19 Euro nicht nach Athen fliegen kann. Nein, nein: Sie tun jetzt so, als habe der Flugkunde nur ein einziges Bedürfnis, und das sei, billig zu fliegen. Und für die Bedürfniserfüllung sei der Staat verantwortlich. Aber das ist keine Grundlage der Marktwirtschaft. Das haben wir daraus gemacht.
Was heißt das?
Wir haben eine Bewusstseinsmauer zwischen unserem Bedürfnis gezogen nach dem höchsten Zins und dem anderen Bedürfnis, eine sozialere und umweltbewusstere Gesellschaft zu haben. Wir haben eine Bedürfnisschizophrenie konstruiert.
Nennen Sie mal ein Beispiel!
Wenn man zur Bank geht, sich nur für die Höhe des Zinses interessiert und sich wundert, wenn man provisionsgetrieben bedient wird. Oder wenn man zur Bank geht, sich nur für die Höhe des Zinses interessiert und trotzdem in einer intakten Natur leben will. Dass man die Vorstellung hat von einem Bauernhof mit freilaufenden Hühnern und sich unterm Baum suhlenden Schweinen, aber Lebensmittel will zu Preisen, wie sie so nicht produziert werden können.
Und Sie therapieren die Schizophrenie?
Wir bieten unseren Kunden an, unterschiedliche Bedürfnisse zumindest ein Stück weit miteinander verknüpfen zu können. Ich selbst habe noch niemanden kennen gelernt, der immer nur ein Bedürfnis hat. Der nur einen hohen Zins will, und dem alles andere egal ist.
Sie kennen offenbar keine FDP-Wähler.
Sehen Sie, diese Aussage wiederum ist mir schon oft begegnet. Dass viele von anderen denken, die seien so. Aber komischerweise hält keiner sich selbst für ausschließlich Zinssatz-zentriert. Auch der so gescholtene Investmentbanker mit seinen Riesenboni erlebt doch eine riesige Diskrepanz zwischen den Idealen, die er in sich hat, und dem, was er tagtäglich macht.
Die entlastende Argumentation: Was kann ich ausrichten, angesichts der Chinesen, der Neoliberalen, der Nachbarin?
Genau das beginnt sich nach unserer Wahrnehmung viel stärker zu ändern. Sieben bis zehn Millionen Bundesbürger sagen, dass sie Konsum und Geldanlage nachhaltig umstellen wollen.
Was sind das für Menschen?
Der Bildungsstand unserer Kunden ist überproportional hoch. Aber wenn eine relevante Anzahl ihr Verhalten verändert, hat das eine Lokomotiv-Funktion.
Nehmen Sie auch Superreiche? Oder hat zu viel Geld etwas Zerstörerisches?
Geld und vor allem viel Geld hat eine Suggestivwirkung. Es verleitet dazu, dass man sich auf das Materielle fixiert. Aber Geld ist nun mal das entscheidende Gestaltungsmittel. Wir wären Angsthasen, wenn wir mit größeren Summen nicht umgehen wollten. Je mehr Geld auf der Entscheidungsgrundlage sozialer und ökologischer Fragen angelegt ist, desto besser. Also wollen wir selbstverständlich auch Menschen dafür gewinnen, die sehr viel Geld haben. Und solche Kunden haben wir auch bereits.
Gibt es überhaupt so etwas wie gutes und böses Geld?
Nein. Geld ist neutral. Ein Lineal ist auch nicht böse oder gut. Es kommt drauf an, was ich für Linien zeichne. Da kann das Lineal nichts für. Geld ist eine geniale Erfindung. Das Problem ist: Im Geld steckt das Potenzial zur Freiheit, und wir nutzen es zur Versklavung.
Sie nehmen jedes Geld, um damit Gutes zu erreichen?
Die Herkunft des Geldes ist dann relevant, wenn sie kriminell ist. Ich kenne aber keinen Fall, in dem wir als Geldwäscher missbraucht worden wären.
Wo kommt denn das Geld auf Ihrer Bank her?
Wir haben Einlagen, die von wenigen Euro bis 50 Millionen gehen. Ich vermute, dass viele Gelder oftmals vorher eher bei Groß- und Direktbanken als bei Sparkassen und Volksbanken waren.
Wer überprüft, ob Sie mit dem Geld auch tun, was Sie versprechen?
Der genossenschaftliche Prüfungsverband macht Stichproben. Es wird immer mal wieder diskutiert, ob man ein Siegel braucht. Aber bisher gibt es außer uns kaum eine Bank, die überhaupt ihre Geschäfte transparent macht. Wenn wir heimlich Atomkraft finanzieren würden und es käme raus, wäre unser Geschäftsmodell tot.
Kann ich mir eine ökosoziale Bank überhaupt leisten?
Die GLS Bank zahlt ja marktübliche Zinsen, auch das weisen wir regelmäßig nach. Zudem wird immer unterschätzt, wie groß die Veränderung ist, wenn ich unterschiedliche Bedürfnisse miteinander verbinde. Da steckt Gewinn drin für den Einzelnen. Volkswirtschaftlich ist es sowieso die einzige Strategie, wie wir überleben können. Die Diskussion ist ja leider immer einzelwirtschaftlich. Doch auch da ist das Streben nach dem höchsten Gewinn häufig völlig irrelevant.
Inwiefern?
Für die, die wenig anlegen können, hat es keine Relevanz, ob sie ein halbes Prozent mehr kriegen. Die Beträge sind zu gering. Und für die, die genug haben, hat es auch keine Relevanz. Allgemein muss man sehen, dass nur acht oder neun Prozent ihr Geld in Aktien anlegen.
So wenig?
Ja. Und trotzdem informieren wir jeden Abend die ganze Republik über die Entwicklung des DAX. Die breite Masse hat ihr Sparkonto bei der Sparkasse oder Volksbank, vertraut darauf, dass das gutgeht, und nimmt die Zinsen, die es da gibt.
Wie wichtig ist Ihnen persönlich Geld, Herr Jorberg?
Ich beschäftige mich beruflich sehr viel mit Geld. So gesehen ist Geld für mich sehr wichtig. Ich brauche aber nicht so viel, dass Geld eine Riesenbedeutung für mich hätte. Es macht mich nicht glücklich oder weniger glücklich, insofern brauche ich keine Boni. Aber ich rede auf einem Niveau, das relativ hoch ist.
Was fahren Sie für ein Auto?
A6, TDI, acht Jahre alt.
Können Sie sich damit unter Ihren Vorstandskollegen sehen lassen?
Ein A 6 geht ja noch. Und das geht zurück, dass man über das Auto identifiziert wird.
Sehen die Kollegen anderer Banken Sie mittlerweile anders?
Klar. Völlig anders. Sie haben selber bemerkt, dass es in ihrem eigenen Laden nicht ganz oder überhaupt nicht stimmt. Und sie sehen, dass die GLS Bank sich in einer Art und Weise entwickelt, wie sie es nicht für möglich gehalten hätten.
■ Bank: Die GLS Bank wurde 1974 als erste nachhaltige (Genossenschafts-)Bank der Welt in Bochum gegründet. Im Angebot hat sie Girokonto, Kreditkarte, Vermögensverwaltung, Geldanlage, Finanzierungen und Kredite.
■ Name: GLS heißt Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken. „Schenken“ bezieht sich auf die GLS Treuhand, eine Tochter, die Stiftungsgelder vergibt. Anlagekunden können auch ihren Zins verschenken – das Geld fließt dann in günstigere Darlehenszinsen an gemeinnützige Projekte.
■ Leitbild: Was Mensch und Umwelt dient, dient auch der Wirtschaft.
■ Verboten: Tabus der Bank für Wertpapiere oder Kredite sind Umweltschädigung, Rüstung, Atomkraft, Kinderarbeit, Tabak.
■ Erwünscht: Erneuerbare Energien, Freie Schulen, nachhaltiges Bauen.
■ Daten: Die Bilanzsumme 2009 lag bei 1,35 Milliarden Euro (plus 33 Prozent). Ende 2009 hatte die GLS Bank 73.000 Kunden (plus 11.000 im Vergleich zum Vorjahr) und beschäftigte 270 Mitarbeiter.
■ Die Konkurrenz: – Triodos Bank, in vier europäischen Ländern, Bilanzsumme 2009: 4,9 Milliarden Euro (plus 30 Prozent) – Umweltbank, Nürnberg, Bilanzsumme 2009: 1,65 Milliarden Euro (plus 30 Prozent) – Ethikbank, Eisenberg, Bilanzsumme 2009: 91 Millionen Euro (plus über 25 Prozent) – Diverse Kirchenbanken – Noa Bank, seit Ende 2009. Bietet hohe Zinsen, hat aber bisher kaum – wie versprochen – in ökosoziale Projekte investiert.
Nervt es diese Kollegen nicht, wenn Sie mit Ihrem Ethikanspruch daherkommen?
Nein, umgekehrt. Ich könnte die ganze Woche an Diskussionen teilnehmen und Vorträge halten. Die wollen das alle wissen. Nicht umsonst macht die Deutsche Bank ganzseitige Anzeigen, in denen sie sagt, dass sie auf Grün setzt. Sie können es nicht herstellen, aber sie merken, dass es ein Bedürfnis gibt.
Was treibt Sie an?
Ich war der erste Lehrling der GLS Bank. Aber ich wäre nicht Banker geworden, hätte ich hier nicht erlebt, wie man mit Geld sinnvoll Gesellschaft gestalten kann.
Sie haben anschließend Wirtschaftswissenschaften studiert und kehrten danach zurück.
Ich habe maßgeblich den Bereich regenerative Energien aufgebaut. Als die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bekannt wurde, gingen meine Frau und ich spazieren. Sie war damals schwanger. Es regnete. Man spürt diesen Regen runterprasseln und weiß nicht, was kommen wird: Das war ein einschneidendes Erlebnis für mich.
Seither führen Sie ein rundum ethisches Leben.
Quatsch. Weiterhin ein Leben voller Widersprüche. Bei der Geldanlage sicher nicht. Aber das geht beim Essen los …
Ihre Bank ist um ein Drittel gewachsen – auf 1,3 Milliarden Euro Bilanzsumme. Die Deutsche Bank hat 1.670 Milliarden.
Das ist ein Durchgangsstadium. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum so weitergeht.
Also weiter 33 Prozent?
Dieses Jahr auf jeden Fall. Es ist doch einfach: Wenn wir die Bedürfnisse der Leute treffen, werden wir weiter wachsen. Wenn nicht, dann nicht.
Wenn enthusiastische Jungunternehmer zu Ihnen kommen und die Welt retten wollen, dann kriegen die einen Kredit?
Wer von uns Geld will, muss die Welt retten wollen. Aber dass man die Welt retten will, ist bei uns eine notwendige Bedingung, keine hinreichende. Man muss es auch können.
Wer kann es schon?
Das, was der Jungunternehmer sich vorgenommen hat, muss er auch können. Die erste Frage ist: Was ist deine Kernkompetenz? Die nächste Frage ist: Wie kannst du die für andere nutzbar machen? Dann wirst du Erfolg haben. In einfachen Kleinstunternehmensstrukturen kommt man auf die Uraufgabe des Wirtschaftens zurück: dass Dienen vor Verdienen kommt.
Schöner Satz.
Stimmt auch noch. Nehmen Sie Porsche. Die haben sich jahrelang ausschließlich um die – für mich etwas seltsamen – Bedürfnisse ihrer Kunden gekümmert und hatten einen Riesenerfolg. Dann haben die angefangen, die Gewinnmaximierungsabsicht in den Vordergrund zu stellen, und das ging schief. Den Gewinn bezahlt letztlich der Kunde. Wer denn sonst? Und nachhaltig bezahlt er nur, wenn ich nachhaltig seine Bedürfnisse befriedige.
Wenn ich einen ökosozialen Panzer baue – fair produziert, extrem energieeffizient –, kriege ich einen Kredit bei Ihnen?
Das ist eine schöne, aber erneut hypothetische Frage. Wer ein bisschen ganzheitlich denkt, der macht das nicht.
Ich hab insgesamt so den Eindruck, Sie glauben an das Gute im Menschen.
Ja, klar, tue ich das.
Müssen Sie sich gelegentlich als Illusionist bezeichnen lassen?
Ich glaube nicht nur an das Gute, das wäre eine Wahrnehmungsstörung. Selbstverständlich gibt es Gier.
Ihre tollen Kunden kennen aber sicher keine Gier?
Ich denke schon, dass sie sie kennen. Ich tue es ja auch. Die Frage ist: Wie gehe ich damit um? Aber es kommt keiner zu uns, weil er verzichten will. Keiner. Was er bei uns auch nicht muss, zumindest nicht im Bezug auf den Zinssatz. Er verzichtet nur auf die Gier.
■ Peter Unfried, 46, ist taz-Chefreporter und hat sein Konto bei der Raiffeisenbank Stimpfach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen