PRESS-SCHLAG: Berichte aus dem Reich der Dunkelheit
FACHFRAU Warum ist der Sport eigentlich eine Männerdomäne? Unsere Autorin verfügt über genaue Kenntnisse der Szene
Letzte Woche haben die Leibesübungen ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert und eine recht männerlastige Beilage produziert. Etliche Leser haben gefragt, warum das so ist, gerade in der taz. Wir haben unsere Autorin Jutta Heeß daraufhin gebeten, über das Dasein als Sportjournalistin zu schreiben.
Es kursieren die wildesten Überlieferungen aus dem dunklen Reich der Sportjournalistinnen: Fußballtrainer geben ihnen keine Interviews, Sportmanager verwechseln sie mit Autogrammjägerinnen, als TV-Moderatorinnen werden sie ab einem gewissen Alter durch jüngere ausgetauscht, und ein Fußballländerspiel der Männer hat bis heute keine Frau kommentiert. Der Gipfel der bösen Geschichten ist der Fall der US-Sportjournalistin Lisa Olson: In den 90er Jahren verklagte sie eine komplette Footballmannschaft wegen sexueller Belästigung.
Alles wahr, alles Extreme. Fakt ist: Wir sind wenige. Im Verband Deutscher Sportjournalisten, VDS, sind lediglich 10 Prozent der Mitglieder Frauen – das ist derselbe Wert wie bereits vor zehn Jahren. Übrigens: In 30 Jahren taz-Leibesübungen gab es bisher mit Michaela Schießl und Cornelia Heim zwei Sportredakteurinnen – und acht Männer. Eine Quote von 20 Prozent. Das ist doppelt so gut wie der Durchschnitt. Frappierend ist auch, dass es kaum Frauen in Leitungsfunktionen gibt. Die Gründe für das Spiel in Unterzahl liegen aber auf keinen Fall im Mythos, dass Frauen von Sport keine Ahnung hätten und dass demnach Sportjournalistinnen inkompetenter seien als ihre männlichen Kollegen.
Nicht nur die eingangs genannten Szenen, auch die Sage um Carmen Thomas’ Versprecher und ihr vermeintliches daraus resultierendes Ende als Moderatorin des „aktuellen sportstudios“ tragen zu diesem falschen Eindruck bei: Sie sagte 1973 zwar wirklich „Schalke 05“ – aber sie moderierte dennoch weitere anderthalb Jahre die ZDF-Sendung. Alles nur Abschreckungsmanöver? Damit die Männer unter sich bleiben können? In einer Welt, in der Sportjournalisten Waldemar Hartmann heißen oder den Athleten Fragen stellen wie „Wie fühlen Sie sich?“, müssten Frauen doch eigentlich richtig auftrumpfen können.
Familienfeindliche Kicks
Es muss andere Gründe geben als das übliche Klischee vom Sport als Männerdomäne, in der Frauen weggebissen werden. Etwa die schwere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sportereignisse finden nun mal in der Regel abends oder am Wochenende statt. Frauen lassen sich sicher noch häufiger als Männer von einem familienunfreundlichen Job abhalten. Außerdem: Es gibt einfach weniger Frauen als Männer, die sich so rasend für Sport interessieren, dass sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen wollen. Das erkennt man auch daran, dass die 1:0-Berichterstattung – also aktuelle Spielberichte – im Grunde ausschließlich von männlichen Journalisten über Männersport abgedeckt wird. Sportjournalistinnen sind eher für Hintergrundgeschichten, Gesellschaftsthemen und Porträts zuständig. Soft skills statt hart am Ball.
Was muss geschehen, damit mehr Journalistinnen den Weg in den Sport finden? Vielleicht muss sich als Erstes die Sportberichterstattung hierzulande ändern. Besagte Hintergrundgeschichten finden zum Beispiel im Fernsehen so gut wie überhaupt nicht mehr statt (Ausnahme: „sport inside“ im WDR). Zeitungen und Radio widmen sich zwar häufiger den gesellschaftlich relevanten Sportthemen, aber kreisen doch auch hauptsächlich um Fußball, Fußball und Fußball. Männerfußball wohlgemerkt. Frauensport spielt lediglich in 15 Prozent der Print-Berichterstattung eine Rolle – vielleicht könnten die Sportjournalistinnen auch hier ansetzen? Dennoch muss keine Frau Bedenken haben, sich in die Mixed Zones der Bundesligastadien oder in andere Hochburgen des Männersports zu stellen. Sportler reagieren nicht allergisch auf Frauen, sondern höchstens auf dumme Fragen.
Zugegeben: Hier mag es eine Hemmschwelle geben. Doch ich selbst habe keine einzige Situation erlebt, in der ich als Sportjournalistin schlechter dran gewesen wäre als meine männlichen Kollegen. Weder wurde ich diskriminiert noch sexistisch beleidigt noch nicht ernst genommen – was ja viele der Schnurren, die sich um den Beruf der Sportjournalistin ranken, implizieren.
Daher glaube ich, dass jede Frau Sportjournalistin, sogar eine erfolgreiche oder berühmte, werden kann, wenn sie es nur will. Katrin Müller-Hohenstein (ZDF), Sabine Töpperwien (WDR), Evi Simeoni (FAZ), Astrid Rawohl (DLF) und vor ihrer Erkrankung Monica Lierhaus (ARD) sind die bekannteren Beweise dafür. Auch wenn die Zahlen in den Sportredaktionen noch eine andere Sprache sprechen, glaube ich, dass die Zeiten, in denen Otto Rehhagel eine Sportjournalistin am Telefon fragte, wann sie nun endlich zum Chef durchstelle, vorbei sind. Oder zumindest Einzelfälle bleiben und nicht nur im Sportjournalismus passieren – wie die Sexismus-Debatte um Rainer Brüderles Journalistinnen-Anmache beweist.
Journalistinnen, die über Sport berichten wollen, müssen also keine Scheu vor den zugegeben männlichen Strukturen im Sport haben. Sie müssen sich nur trauen, sie aufzubrechen. Und sie müssen ihre eigenen Themen setzen. Dann gelingt sicher auch der Sprung über die mickrige Zehnprozenthürde. JUTTA HEESS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen