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CDU ist uneins über Heroin auf Krankenschein

Eine Frage der Folgekosten: Landes- und Bundespolitiker der Union streiten sich über die Fortführung des Modellversuchs, bei dem auch in Hannover und Hamburg Heroin an Schwerstabhängige vergeben wird

Was darf ein menschenwürdiges Leben kosten? Über diese Frage streitet die CDU derzeit auf Landes- und Bundesebene. „Keinesfalls“ rechtfertigten die Ergebnisse des Modellversuchs zur Heroinabgabe an Schwerstabhängige, „dass man nun eine harte illegale Droge ein Stück weit legalisiert und enttabuisiert“, sagt der CDU-Fraktionsobmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags, Jens Spahn. Der finanzielle Aufwand stehe in keinem Verhältnis zur Zahl der Betroffenen. Die große Koalition solle sich stärker um aktuelle Suchtprobleme kümmern. Im Kampf gegen „wirkliche Problemdrogen“ wie Cannabis oder Kokain herrsche bislang weitgehend Fehlanzeige. Der Modellversuch zur Heroinabgabe sei „das teuerste Suchtforschungsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik“.

Seit drei Jahren bekommen etwa 1.000 Abhängige in sieben Städten, darunter auch in Hannover und Hamburg, Heroin auf Krankenschein. Das Urteil der Fachleute ist eindeutig. Zwar kostet die Heroinabgabe über 20.000 Euro pro Person im Jahr, doch dafür ist das Befinden der Probanden laut einer Studie nicht nur deutlich besser als mit dem Ersatzstoff Methadon, sie driften auch nicht mehr in Beschaffungskriminalität und Prostitution ab. Die Folgekosten kalkulieren die Gegner der Fortführung des Projekts offenbar nicht ein.

Deshalb haben sich SPD und Grüne in Land und Bund längst für eine Fortführung des Projekts ausgesprochen, das Ende Juni ausläuft. Aber auch die CDU in Niedersachsen ist sich mit den Kollegen in Berlin nicht einig. „Die Ergebnisse der Heroinbehandlung sind bei den Patienten im Vergleich mit der herkömmlichen Methadonbehandlung signifikant besser“, sagt Heidemarie Mundlos, CDU-Fraktionsvizin im niedersächsischen Landtag. Sie sei nicht nur für die Fortführung des Projekts, das ebenfalls CDU-geführte Sozialministerium habe bereits signalisiert, dass noch Geld dafür da sei.

CDU-Gesundheitsexperte Spahn in Berlin würde das nicht befürworten: Für das Heroinprojekt habe man fast so viel Geld ausgegeben wie für die gesamte Drogenprävention in Deutschland. Und: Es sei „nicht die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die Kriminalitätsbekämpfung der Kommunen zu übernehmen“. Außerdem zeige die Erfahrung, „dass die Länder und Kommunen, die jetzt so laut schreien, bei psychosozialer Begleitung und Entzugsmaßnahmen, die sie selber finanzieren müssen, sehr sparsam sind“. Felix Spahn

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