: Die Jugend in einer anderen Rolle
Beim Jugendtheatertreffen „Klubszene“ führen sich zehn Schauspielgruppen der Stadt gegenseitig ihre Stücke vor. Viele der Stücke sind selbst geschriebene Eigenproduktionen
14 Jugendliche, in Zweierpaaren. Der rechte Fuß des einen ist mit dem linken Fuß des anderen durch einen Klettverschluss zusammengebunden. Sie winden sich um eine fünf Meter lange Reihe aus flachen Podesten herum. Ein Pärchen, Junge und Mädchen, fängt an, laut zu streiten. Die anderen husten und keuchen. „Ich kann euch nicht verstehen“, ruft Uta Plate dem Pärchen zu. „Das Husten muss ein bisschen leiser sein“, weist sie den Rest der Gruppe an. Zweimal wird die Szene wiederholt, immer das gleiche Problem. Beim dritten Mal klappt es plötzlich. Sechs der Jugendlichen stellen sich sofort auf der Podestreihe für die nächste Szene auf.
Theaterpädagogin Uta Plate übt in einem Proberaum der Schaubühne mit dem Jugendtheaterklub „Die Zwiefachen“ ihr neues Projekt: ein Tanzmarathon. „13 Jugendliche treffen sich, um um die Wette zu tanzen. Der Preis: der Traum deiner Wahl.“ Mehr verrät keiner der Beteiligten über das Stück, das am Sonntag im Rahmen des Jugendtheaterfestivals „Klubszene“ Premiere haben wird.
Auch die „Klubszene“ ist eine Premiere. Die Jugendklubs der Berliner Theater werden sich an diesem Wochenende im Theater an der Parkaue in Lichtenberg treffen und füreinander Theater spielen. „Jede der zehn Gruppen stellt ihre neueste Produktion vor“, erklärt Amelie Mallmann, Theaterpädagogin im Theater an der Parkaue. Das Festival solle den Austausch zwischen den Jugendtheaterklubs befördern und deren Bekanntheit fördern. „Wir wollen, dass die Jugendklubs der Bühnen öffentlich wahrgenommen werden.“
Über die Aufführungen hinaus gibt es ein intensives Workshop-Programm. „In den Workshops treffen sich jeweils zwei Gruppen und setzen sich mit ihren beiden Aufführungen auseinander“, sagt Mallmann. Die Jugendlichen sollen sich so nicht nur kennen lernen, sondern auch lernen, über Theater zu reden. „Da werden die unterschiedlichsten Charaktere aufeinander prallen. Wir sind gespannt, was für beide Seiten dabei herauskommt“, so die Theaterpädagogin.
Uta Plates Schaubühnen-Gruppe „Die Zwiefachen“ ist ein besonderer Jugendklub. Plate arbeitet ausschließlich mit sozial benachteiligten Jugendlichen, viele von ihnen leben in betreuten Wohnprojekten. „Ich habe diese Gruppe 1999 ins Leben gerufen, weil ich benachteiligten Jugendlichen Unterstützung und die Möglichkeit zur Selbstentfaltung geben möchte“, begründet Uta Plate ihre Arbeit. Entscheidend sei die Kontinuität. „Wenn ein Jugendlicher nur ein paar Wochen in einem Projekt mitspielt, kann das zwar eine wahnsinnige Erfahrung für ihn sein; er hat über die mehrmonatige oder gar mehrjährige Zusammenarbeit jedoch die Möglichkeit, noch ganz andere Grenzen zu überwinden.“ Deshalb wird an der Schaubühne das ganze Jahr jede Woche mindestens einmal geprobt. Die Theaterstücke, die die „Zwiefachen“ aufführen, schreiben sie zusammen mit Uta Plate selbst: „Die Jugendlichen sind tolle Geschichtenerzähler“, schwärmt Plate.
„Die Zwiefachen“ werden am Wochenende im Klubszene-Workshop auf den Jugendtheaterklub des Hans Otto Theaters treffen. „HOT“ nennt sich die Potsdamer Kombo, und diesen Namen trägt sie zu Recht: „Ich kann mich vor Bewerbern nicht retten“, sagt Theaterpädagogin Manuela Gerlach. Über 30 Mitglieder habe „HOT“ mittlerweile. Statt einer Aufnahmeprüfung müssen Bewerber ein Theatertraining und ein Gespräch mit Manuela Gerlach bestehen. „Für mich zählt Lust am Spielen, Teamgeist und Begeisterungsfähigkeit“, zählt die Theaterpädagogin ihre Kriterien auf. „Wir sind nicht die Vorstufe zur Schauspielschule“, stellt sie klar.
Ihr Ziel sei es vielmehr, den Jugendlichen beizubringen, zusammen- statt gegeneinander zu arbeiten. Und sie zum Nachdenken über sich selbst und ihre „Rolle im Leben“ zu bewegen. „Dass es unabhängig davon häufig vorkommt, dass meine Schützlinge theaternahe Berufe ergreifen, freut mich natürlich“, gibt Gerlach zu. „HOT“ wird auf der „Klubszene“ ein selbst erarbeitetes Stück über das Leben des Schauspielers Hans Otto aufführen, der 1933 beim Sturz aus dem Fenster einer SA-Kaserne starb. SOPHIE DIESSELHORST
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen