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DER LOBBYIST DER WOCHE

Die Autisten

Es hat nicht geholfen: Schon im Jahr 2000 protestierte eine kleine Gruppe von Wirtschaftsstudierenden in Frankreich gegen ihre „autististische Wissenschaft“, für Pluralismus statt des Monotheismus der neoklassischen Ökonomie. Befördert durch die Finanzkrise, erhielt die Bewegung für eine „plurale Ökonomie“ auch in Deutschland etwas Auftrieb. Ihr „Hamburger Wirtschaftskongress“ Anfang November fand jedoch wieder karge Resonanz, die Lehrpläne an den Unis haben sich kaum verändert.

Wie unangefochten die Ideologen der Neoklassik die Wirtschaftswissenschaft in Deutschland dominieren, zeigt das neue Jahresgutachten des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ der Bundesregierung – vulgo gern auch die „Wirtschaftsweisen“ genannt: gegen einen flächendeckenden Mindestlohn, gegen eine Mietpreisbremse, gegen Steuererhöhungen bei Besserverdienenden, für Schuldenbremsen in ganz Europa. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Christoph M. Schmidt (Foto) hatte bereits im März eine Lockerung des Kündigungsschutzes und ein höheres Renteneintrittsalter gefordert. Zu Schröders-Agenda-Zeit gehörte der Rat zu den Scharfmachern, die Finanzkrise sah er nicht kommen: Wo der Glaube die Annahmen bestimmt, passen Krisen nicht ins Weltbild.

Der einzige Keynesianer im Sachverständigenrat, Peter Bofinger, musste sich auch diesmal mit der Abgabe von Minderheitenvoten im Bericht zufrieden geben. Mehr Pluralität würde wohl das Aus für den Rat bedeuten: Denn wenn sichtbar würde, dass es – wie überall sonst auch – in der Wirtschaftswissenschaft verschiedene Ansichten geben kann, verlören die Ratsmitglieder ihren Nimbus als „Weise“.

MARTIN REEH

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