: Pressedienst für Barbarossa
BESSER LERNEN Für ausgezeichnete Arbeit an der Schule gibt es den „Deutschen Lehrerpreis“. Mit der Würdigung von Robert Rauh als prima Lehrer geht ein Preis auch nach Berlin
ROBERT RAUH, LEHRER DES JAHRES
VON PAVEL LOKSHIN
Das Heilige Römische Reich im Hochmittelalter: „Friedrich Barbarossa – ‚Jäger des Löwen‘ oder ‚Getriebener der Fürsten‘?“ Schulstoff zum Einschlafen, will man meinen, aber die SchülerInnen im Leistungskurs Geschichte am Barnim-Gymnasium in Höhenschönhausen sind hellwach. Ihre Aufgabe lautet: Pressemitteilungen für den Rotbart und seinen herzöglichen Konkurrenten Heinrich den Löwen zu schreiben. Die SchülerInnen sollen sich mit ihrem erworbenen Wissen in die beiden Herrscher hineinversetzen und ihre jeweiligen Positionen vertreten.
Robert Rauh nennt das Multiperspektivität. Gestern hat der 46-Jährige den von der Vodafone-Stiftung und dem Philologenverband ausgelobten „Deutschen Lehrerpreis“ gewonnen. Sein Leistungskurs 2012/2013 nomierte ihn für die Auszeichnung. Das Urteil fällte eine Fachjury aus BildungsforscherInnen, KultusministerInnen und SchülervertreterInnen. Insgesamt wurden 6 Lehrerteams und 16 LehrerInnen geehrt – Rauh ist der einzige Berliner.
Der gebürtige Pankower gibt sich bescheiden: „Es gibt so viele Kollegen, die den Preis auch verdient hätten.“ Dass es aber nicht nur preiswürdige LehrerInnen gibt, weiß Jenny Schneider. Die Abiturientin hat mit Robert Rauh einen Lehrer erlebt, der sich in die Schüler hineinversetzen kann. Das Besondere an Rauhs Unterricht seien klar formulierte Aufgaben, moderierte Diskussionen und der Bezug zur Gegenwart. Der PR-Dienst für Friedrich Barbarossa sei nur ein Beispiel.
Auch durch sein Engagement setze sich Rauh von anderen Lehrern ab. „Für Herrn Rauh ist das nicht nur ein Beruf,“ sagt Schneider. Deswegen habe sie ihn für den Lehrerpreis nominiert. Das bestätigt auch Dustin Stadtkewitz, ein ehemaliger Schüler im Leistungskurs: „Herr Rauh hat wie kein anderer Lehrer Zeit und Geduld in die einzelnen Schüler investiert und alle mitgenommen.“ Rauh hätte im Kurs seine E-Mail-Adresse und Telefonnummer verteilt. Auch abends sei er bei Fragen erreichbar gewesen.
Abendliche Schülerfragen beantworten, das war nicht Rauhs erster Plan. Er studierte Archivwissenschaften an der Humboldt-Universität, wollte mit Originalen von Dokumenten arbeiten, die die meisten HistorikerInnen nur aus Quelleneditionen kennen. Dann kam die Wende. Bei einem Nebenjob in der privaten Nachhilfe bemerkte Rauh, dass der Lehrerberuf ihm besser gefallen könnte als die Arbeit im Archiv. Rauh wechselte zu Geschichte und Germanistik, arbeitete als angestellter Lehrer und wurde verbeamtet, als einer der letzten Berliner Pädagogen. Heute engagiert sich Rauh neben seiner Lehrtätigkeit am Barnim-Gymnasium in den Fächern Deutsch, Geschichte und Politik als Seminarleiter in der Lehrerbildung. Auch die Verbesserung der Situation angestellter LehrerInnen ist ihm ein Anliegen.
Prüfungen wie bei Piloten
Die Qualität der Lehrerbildung in Deutschland müsse dringend verbessert werden, meint Rauh. „Wir brauchen Aufnahmeprüfungen, wie bei Piloten!“ Auch müssten LehramtsanwärterInnen rasch mit der Schulrealität konfrontiert werden, im Referendariat sei es oft schon zu spät. Angehende LehrerInnen müssten viel früher unterrichten, unterstützt von MentorInnen an den Schulen, die für diese Aufgabe freigestellt werden. Für Rauh steht fest: Bildung ist in Deutschland unterfinanziert.
„Die Jugend ist unser Rohstoff, und wir sind die Bergarbeiter“, sagt Rauh. „Wir haben hier in Deutschland doch sonst nichts.“ Sogar auf eine Gehaltserhöhung würde der Bergarbeiter Rauh verzichten, wenn er im Gegenzug kleinere Klassen unterrichten könnte. Eilig ergänzt er: „Das gilt aber nur für mich. Es gibt Kollegen, die würden mir für diese Aussage den Hals umdrehen.“
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