piwik no script img

Agentur geht betteln

Die Zahl nordrhein-westfälischer Jugendlicher ohne Ausbildungsplatz steigt weiter. Jetzt wollen die Arbeitsagenturen mit einem „Tag des Ausbildungsplatzes“ für zusätzliche Stellen werben

VON SEBASTIAN HEISER

Die Zahl ist deprimierend: 73.670 Jugendliche suchen nach den aktuellsten Zahlen der Arbeitsagentur in Nordrhein-Westfalen immer noch vergeblich eine Ausbildungsstelle – 26 Prozent mehr als vor einem Jahr. Offenbar fruchtet der „Ausbildungskonsens“ der Landesregierung nicht, die auf Appelle statt auf Geldstrafen für nicht ausbildende Betriebe setzt. Nun haben für Montag die Vermittler den „Tag des Ausbildungsplatzes“ ausgerufen.

An ihm wollen sie in die Betriebe schwärmen, um Werbung für Ausbildung zu machen. Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) macht sich persönlich auf den Weg, um den Startschuss für „Initiativen für Ausbildung“ in den Kreisen Coesfeld und Borken zu geben.

Die Agentur für Arbeit Krefeld hat bereits am 9. Mai einen vergleichbaren Aktionstag gemacht. „Viele Betriebe haben noch Informationsbedarf und wissen zum Beispiel gar nicht, dass sie oft auch ohne Meister ausbilden dürfen“, sagt Sprecherin Anja Knoblich. Viele Vermittler wurden freundlich mit Kaffee empfangen, anderen aber auch die Tür vor der Nase zugeknallt. Am Ende standen 128 zusätzliche Ausbildungsplätze für das laufende Jahr, 172 weitere für 2007. Dieser Erfolg ist dennoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein: 1.682 Bewerber suchen noch eine Ausbildung, aber nur 926 offene Stellen melden die Betriebe.

Knoblich sieht mehrere Gründe für das Dilemma: Da die Zahl der Beschäftigten durch Firmenpleiten und Endlassungen insgesamt weniger werde, gingen parallel dazu auch Ausbildungsplätze verloren. Und neue Jobs würden vor allem in der Dienstleistungsbranche entstehen, in der die klassische Ausbildung nicht weit verbreitet ist.

Mehr als die Hälfte der insgesamt gut 122.000 Ausbildungssuchenden warten schon ein Jahr oder länger auf den Einstieg ins Berufsleben: In der Zwischenzeit seit ihrem Schulabschluss haben sie zum Beispiel eine so genannte Berufsvorbereitungsmaßnahme gemacht und suchen jetzt wieder. Die Arbeitsagenturen raten den Betrieben jetzt auszubilden, bevor in wenigen Jahren Fachkräfte zur Mangelware werden. Knoblich: „Die Daten aus den Schulen zeigen, dass die Zahl der Abgänger deutlich zurückgehen wird. Wer jetzt einen Auszubildenden einstellt, investiert in die Zukunft und schafft eine gesunde Altersmischung in den Unternehmen.“

Die NRW-Chefin der Agentur für Arbeit, Christiane Schönefeld, sieht unterdessen die Ausbildungssuchenden in der Pflicht: „Die jungen Leute sollten sich überlegen, wie sie den Ausbilder überzeugen können, der passende Azubi zu sein.“ Eine normale Bewerbungsmappe reiche dagegen häufig nicht mehr. Doch das löst das Problem nicht: Die Betriebe bieten zu wenige Ausbildungsplätze an. In NRW bildet nach den Zahlen der Arbeitsagentur nur noch jeder zweite Betrieb aus, der dazu in der Lage wäre.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen