: Forum
Kompetent in Bayern
Es klingt reichlich daneben, wenn ein „Kompetenzforum Bayern 2006“ mit der Thematik „Schnittstellen und Synergien zwischen Tourismus und Industrie“ an die Öffentlichkeit tritt. Wo Strände, Sonne, Sand und Spaß die Urlauber locken, da stört die Industrie doch nur, oder? Spätestens seit im hochindustrialisierten Deutschland die Fabrikschlote nicht mehr so richtig rauchen. So manches Relikt dieser verflossenen Ära ist längst zur Touristenattraktion geworden, etwa im Saarland oder im Ruhrpott, und es gibt „Routen der Industriekultur“. Und eine neue Art Industrietourismus boomt, etwa der Fabrikverkauf von Markenprodukten am Produktionsstandort (Factory Outlet). Hier tut sich vor allem der Stuttgarter Raum hervor. Allen voran haben sich Deutschlands Autobauer eigene Besucherhits geschaffen, die jüngste „Industrieerlebniswelt“ („Garage der Mythen“; Spiegel) hat Mercedes-Benz pharaonengleich in die Welt gesetzt. Florierender Industrietourismus sogar dort, wo man ihn am wenigsten vermutet, etwa im Nationalpark Bayerischer Wald, wo sich Naturliebhaber gern mit schicken Gläsern solch guter Namen wie Zwiesel oder Spiegelau versorgen.
In abgelegenen Regionen können sich durch Tourismus Produktionszweige halten, die im Zuge der Globalisierungsprozesse vermutlich längst verschwunden wären. Erstaunlich ist die Vielfalt industrietouristischer Erfolge, die in der Katholischen Universität Eichstätt nun unter Vertretern von Wissenschaft, Touristik, Wirtschaft und Politik zur Sprache kamen. Stoff für interessante Diskussionen lieferte die Frage nach künftiger Standort- und Wirtschaftspolitik. Weder Raumplanung noch Wirtschaftsförderung, weder Arbeitsmarktpolitik noch Regionalentwicklung oder Standortmarketing, niemand, so scheint es, kommt künftig am Tourismus vorbei. Im verschärften Wettbewerb der Regionen um attraktive Wirtschaftsstandorte gewinnen „weiche“ Standortfaktoren, wie sie Touristiker aufbereiten, eine immer größere Bedeutung. Tourismus, so ein Statement, sei Vorleister für den Industriestandort. Ein selbstbewusstes Statement, mit dem sich die Bayerischen Touristiker als Wirtschaftspartner empfehlen. CHRISTEL BURGHOFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen