Neuer Chef: Berliner Zeitung mit Notausgabe
Der Chefredakteur und Geschäftsführer der Hamburger Morgenpost, Josef Depenbrock, ist seit gestern neuer Chefredakteur der Berliner Zeitung. Zusätzlich wird der 44-Jährige wie beim Hamburger Boulevardblatt zugleich in die Geschäftsführung der Holding um den britischen Zeitungsmanager David Montgomery einziehen, die im vergangenen Herbst den Berliner Verlag gekauft hatte.
Die Redaktion der Berliner Zeitung steht Kopf. Heute soll nur eine 12-seitige Notausgabe des Blattes erscheinen. Die übliche „Frühausgabe“, die in der Hauptstadt am frühen Abend in Cafés und Kneipen vertrieben wird, erschien gestern Abend nicht. Streitpunkt ist die Erklärung der Redaktion der Berliner Zeitung, die die taz dokumentiert (siehe Seite 1).
Die Belegschaft der Berliner Zeitung hat mit Empörung auf die Ernennung von Josef Depenbrock zum neuen Chefredakteur reagiert. Depenbrock war bislang in Personalunion Chefredakteur und Geschäftsführer des Boulevardblatts Hamburger Morgenpost, das wie die Berliner Zeitung zur Holding des britischen Medienunternehmers David Montgomery gehört.
Für den Betriebsrat ist die Berufung Depenbrocks ein „grober Vertrauensbruch“, der die „redaktionelle Unabhängigkeit“ der Berliner Zeitung gefährde. Die Geschäftsführung habe die Entscheidung genau an dem Tag verkündet, an dem sie mit dem Redaktionsausschuss abschließend über das Redaktionsstatut verhandeln wollte. Das von der Verlagsleitung wenig geliebte Statut sieht ein Veto des Ausschusses bei Einstellung und Entlassung der Chefredaktion vor. Die Redaktion, hieß es gestern im Verlag, wolle sich nicht kampflos geschlagen geben.
Depenbrocks journalistische Stationen empfehlen ihn nicht unbedingt für die Berliner Zeitung: Er begann seine Karriere zwar beim Regionalblatt Westfälische Nachrichten, war danach aber fast nur noch auf dem Boulevard (Bild-Zeitung und Berliner Kurier) unterwegs. Beim Anlegermagazin Cash, der Programmzeitschrift TV Today und ab 2000 auch bei der Hamburger Morgenpost gab er neben dem obersten Journalisten zugleich den Geschäftsführer. Auch mit Personalabbau kennt er sich bestens aus: Bei TV Today setzte Depenbrock Ende 2004 nach einem Eigentümerwechsel einen massiven Stellenabbau durch.
Ewald B. Schulte, Vorsitzender des Redaktionsausschusses der Berliner Zeitung warnte vor Depenbrocks Doppelfunktion von Geschäftsführung und Redaktionsleitung. Bislang habe beim Berliner Verlag eine klare Trennung verlegerischer und redaktioneller Interessen gegolten.
Die DV Holding hatte den Berliner Verlag Ende 2005 und den Hamburger Morgenpost Verlag Anfang 2006 übernommen. Die Berliner Zeitung verkauft rund 180.000 Exemplare und ist vor allem in den Ostbezirken der Stadt die meistverbreitete Regionalzeitung. Den bisherige Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, der sich gegen den Kurs der Neueigentümer ausgesprochen hatte, hatte es vorletzte Woche aus dem Amt getrieben. Er heuerte bei der Frankfurter Rundschau an.
STEFFEN GRIMBERG
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