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ANJA MAIER ZUR ERÖFFNUNG DES CITY-TUNNELS IN LEIPZIGStadt, Land, Unsinn

Versteh einer die Sachsen. Da verwandeln Landesregierung und Stadtverwaltung die Leipziger Innenstadt über Jahre in eine Baugrube apokalyptischen Ausmaßes. Sie überziehen den Fertigstellungstermin für einen 1.400 Meter langen „City-Tunnel“ genannten Unsinn um Jahre. Sie verdoppeln die Kosten und zwingen die Bürger, sich in ihrer Stadt wie in einem Notstandsgebiet zu bewegen. Und was machen die Leipziger? Sie sind nicht sauer. Sie feiern.

Keine Frage, der Leipziger City-Tunnel, dessen Eröffnung am Wochenende mit einer großen Sause begangen wird, ist eines jener Mammutprojekte, von denen es im Land der übersteigerten Politikeregos viel zu viele gibt. Es ist jedoch auch eines, über dessen grandiose Verplantheit sich immer weniger Menschen aufregen können.

Je öfter und genüsslicher von Pleitebauten wie der Hamburger Elbphilharmonie, dem Flughafen BER oder eben dem City-Tunnel berichtet wird, desto resignierter verhält sich das Steuern zahlende Publikum. Als würde die halbe Milliarde mehr für das Leipziger Bauvorhaben mit Spielgeld bezahlt. Als würden die zehn statt sechs Jahre Bauzeit das urbane Leben nicht beeinträchtigen.

Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Protest sich in der Pleißestadt wegen des aus dem Ruder gelaufenen Projekts geregt hat. Zum Vergleich: Mit Stuttgart 21 hat sich ganz Baden-Württemberg auseinandergesetzt, für den BER wurde ein Untersuchungsausschuss einberufen. Und in Leipzig schmeißt man die Würstchen auf den Grill?

Gut möglich, dass in einem Ost-Bundesland, dem seit 24 Jahren regelmäßig vorgerechnet wird, wie unverschämt gut es ihm dank der Aufbau-Ost-Millionen geht, eher stillschweigende Fügsamkeit üblich ist. Das kann aber nicht heißen, dass Land und Stadt weiter jeden Unsinn treiben dürfen.

Inland SEITE 7

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