piwik no script img

Meine WMErfolgreich in der Pampa

Was Männerseelen bewegt: Redakteure der taz nrw plaudern prägende WM-Erlebnisse ausWie ich die WM 1990 am Polarkreis erlebte und so ganz nebenbei die deutsch-holländische Freundschaft rettete

■ Gegen drei Wochen Urlaub in Skandinavien kann man eigentlich nichts haben, auch dann nicht, wenn man permanent 25 Kilo auf dem Rücken mit sich rumschleppt. Peinlich wird es nur, wenn der Urlaub während der WM stattfindet. In der Wildnis, abseits jeglicher Zivilisation. Will heißen: kein Fernseher, keine Zeitung. Und Handys waren 1990 auch noch nicht erfunden.

Natürlich waren die Frauen an allem Schuld. Irgendwann im Frühjahr hatte Doreen die glorreiche Idee: „Wir könnten im Sommer doch mal nach Schweden fahren.“ Klar, dachte ich mir in meinem gerade volljährigen Leichtsinn. Drei Wochen in der „Pampa“ mit Doreen? Coole Sache. Stefan, ein guter Freund, kam dann auch noch mit.

Erst Wochen später wurde mir klar, worauf ich mich eingelassen hatte. Der Urlaub fand während der WM in Italien statt. Pünktlich zur Hälfte der Vorrunde sollte der Trip losgehen, zum Finale wären wir wieder hier. Ach du Scheiße. Für ein Zurück war es natürlich zu spät. Die Enttäuschung schluckte ich runter.

Mit Doreen gab es schon am zweiten Abend Stress. Immerhin konnte ich auf dem Weg Richtung Polarkreis meinen Ärger betäuben. Im hohen Norden war dann endlich Wandern angesagt. Fünf Grad, Wind und Nieselregen. Durch das „tiefe Geläuf“ des Abisko-Nationalparks kämpften wir uns zum Campingplatz vor. Die WM war inzwischen reine Nebensache. Das Achtelfinale Deutschland gegen Holland? Far away.

Plötzlich hörten wir aus den Wäldern laute Flüche auf Niederländisch. In Lappland? Kann nicht sein. Wir entdeckten einen Mann, der verzweifelt versuchte, seine Gummistiefel aus dem Moor zu befreien. „You need help?“ – „Yes“, antwortete er. „Where do you come from?“ – „Holland“, sagte er. „Ah, you know the score?“ – „You won“, sagte er beiläufig. „Two one?“ – „Yes, you won“, wurde sein Ton etwas schärfer. Natürlich halfen wir ihm, seine Stiefel zu befreien. Am Abend stießen wir auf Rijkaard und Völler an und verabschiedeten uns am nächsten Morgen in Freundschaft.

Das Viertelfinale gegen Tschechien erlebten wir auf der Fähre von Stockholm nach Turku, das Halbfinale gegen England bei Freunden am Radio. Im Viehtransporter ging es zurück an den Niederrhein. Das Finale sah ich im Kreise meiner Freunde – ohne Doreen. HOLGER PAULER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen