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Köhler empört SPD-Politiker

Bundespräsident nennt Diskriminierungsschutz „bürokratisches Hemmnis“. SPD verteidigt Gesetz

VON LUKAS WALLRAFF

Der Streit in der großen Koalition um das so genannte Gleichbehandlungsgesetz nimmt an Schärfe zu. Sehr zum Unmut der SPD meldete sich nun auch Bundespräsident Horst Köhler zu Wort und äußerte Kritik an dem Gesetz, das für besseren Schutz vor Diskriminierung sorgen soll.

SPD-Fraktionschef Peter Struck lehnte alle Forderungen nach Änderungen ab. „Wir werden das Gesetz so beschließen, wie es auch im Kabinett beschlossen worden ist“, sagte Struck. „Das ist erledigt.“ CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach dagegen begrüßte ausdrücklich eine Initiative der unionsregierten Länder, die im Bundesrat Korrekturen durchsetzen wollen. Er drücke den Ministerpräsidenten die Daumen, sagte Bosbach.

Etliche Unionspolitiker äußern seit Wochen ihren Unmut, weil die Regierung bei ihrem Gesetzentwurf teilweise über EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung hinausging.

Am Mittwochabend beteiligte sich erstmals auch Bundespräsident Köhler an den Diskussionen. Bei einer Veranstaltung in Stuttgart urteilte Köhler am Mittwochabend, das Antidiskriminierungsgesetz komme zum falschen Zeitpunkt. „Jetzt kann sich die Republik nicht erlauben, neue bürokratische Hemmnisse aufzubauen“, erklärte Köhler.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), reagierte auf die Äußerungen Köhlers mit Unverständnis: „Ein Gesetz, das die Rechte von Behinderten und Homosexuellen schützt, sollte ein Bundespräsident nicht kritisieren, wenn er denn schon meint, sich zu aktuellen Gesetzesvorhaben äußern zu müssen.“ Edathy fügte hinzu, er habe „die Stimme von Herrn Köhler sehr vermisst, als wir in den vergangenen Wochen über das Thema Rechtsextremismus diskutiert haben. Er hat sich da sehr zurückgehalten. Ich wundere mich umso mehr, dass er sich nun gegen ein Projekt zur Stärkung von Menschenrechten ausspricht.“ Zu den Änderungswünschen aus der CDU sagte Edathy: „Der Wille in der SPD-Fraktion ist sehr ausgeprägt, das Gesetz nun wie vereinbart und ohne Abstriche durchzusetzen.“ Auch Fraktionschef Struck sieht „keinen Änderungsbedarf“.

Ganz so eindeutig hatte sich Regierungssprecher Thomas Steg zuvor nicht festgelegt: Man warte zunächst die Stellungnahme des Bundesrats am 16. Juni ab, dann werde sich das Kabinett noch einmal mit dem Gesetz befassen, erklärte Steg. Der Bundesrat kann das Gesetz nicht verhindern, aber verzögern.

Die Unionsländer wollen den zivilrechtlichen Teil des Gesetzes, in dem es etwa um Diskriminierungsschutz bei Disko-Besuchen, bei Vermietungen oder Versicherungen geht, auf die Diskriminierungsmerkmale Rasse, ethnische Herkunft und Geschlecht beschränken, die in den EU-Richtlinien zwingend vorgeschrieben sind. Nach dem im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf sollen sich auch Senioren, Behinderte, Schwule und Lesben gegen Diskriminierungen juristisch wehren können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Entwurf in den letzten Wochen wiederholt verteidigt. Von ihrem Wahlkampfversprechen, die EU-Richtlinien nur „eins zu eins“ umzusetzen, hat sich Merkel längst verabschiedet. Inzwischen sei auch sie der Meinung, dass in das Gesetz Schutzbestimmungen für Alte und Behinderte aufgenommen werden sollten, betonte die Kanzlerin. Außerdem, so Merkel gegenüber parteiinternen Kritikern, sei es ihr gelungen, wichtige CDU-Wünsche durchzusetzen: So können kirchliche Einrichtungen – entgegen den EU-Regeln – bei der Jobvergabe auch künftig Nichtkirchenmitglieder ablehnen.

Einige Unionspolitiker konzentrieren ihre Kritik inzwischen auf das Klagerecht für Betriebsräte, das sie aus dem Gesetz streichen möchten. Diesen Wunsch nannte SPD-Mann Edathy „gewerkschaftsfeindlich“. Betriebsräte müssten die Möglichkeit haben, sich für diskriminierte Kollegen einzusetzen.

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