: „In einer Demokratie längst weggefegt“
Der togolesische Oppositionelle Sese Rekuah Ayeva über den Fußball-Verband seiner Heimat und den richtigen Trainer
taz: Herr Ayeva, was bedeutet der Trainerwechsel nach dem Abgang von Otto Pfister für Togo vor dem heutigen WM-Auftaktspiel?
Sese-Rekuah Ayeva: Das ist eine echte Tragödie, sehr beunruhigend, zumal ja bereits der nigerianische Trainer Stephen Keshi, der die togolesische Mannschaft durch die WM-Qualifikation gebracht hat, danach gefeuert wurde. Die Moral der Spieler, des togolesischen Volkes und der Fans liegt am Boden.
War es schlau von den Spielern, so kurz vor der WM zu streiken?
Es gab tausendundeine Gelegenheit, die togolesischen Spieler angemessen zu honorieren. Aber nichts ist geschehen. Man darf nicht vergessen, dass 22 der 23 Auswahlspieler außerhalb Togos leben und fern der Heimat ihr Glück suchen. Das Problem mit den Prämien ist ein altbekanntes, das nie geregelt wurde.
Der Verband fühlte sich angeblich erpresst.
Ich persönlich mag keine Erpressung, aber ich frage mich, ob die Spieler eine andere Möglichkeit gehabt hätten, ihre Prämien einzufordern. Davon abgesehen: Die Honorierung mit einer Prämie von 150.000 Euro pro Spieler lässt europäische Fußballer doch müde lächeln.
Die wirklich Verantwortlichen sind die Funktionäre?
Meiner Meinung nach ja. Sie sind es, die die Sportpolitik im Land bestimmen. Sie sind es, die nicht die richtigen Maßnahmen ergreifen, um die Entwicklung des Sports Nummer 1 in Togo voranzutreiben. Es gibt viele Fußballtalente, die einfach untergehen. In einer Demokratie wäre dieser Verband weggefegt worden, der gefährlich in den Kompetenzbereich des Trainers eingreift.
Funktionäre und Politiker instrumentalisieren Fußball?
Ja, es ist eine Instrumentalisierung unserer Mannschaft zugunsten egoistischer Interessen – und das wissen die Spieler. Sie haben ihren Gegenschlag, denke ich, lange vorbereitet. Das Problem rührt daher, dass Faure Gnassingbé seinem 2005 verstorbenen Vater auf den Stuhl des Präsidenten der Republik gefolgt ist. Ein zweiter Sohn, Rock Gnassingbé, ist Präsident des togolesischen Fußballverbandes.
Vetternwirtschaft par excellence?
Das politische Feld ist vermint. Die Regierung hat in der Weltpolitik einen schlechten Ruf wegen ihrer Weigerung zur politischen Liberalisierung und der massiven Missachtung der Menschenrechte. Unser Team wurde als Gehhilfe missbraucht, um nicht ganz von der internationalen Bühne zu verschwinden.
Hat die Sache auch ihr Gutes?
Togo ist ein Land übler Machenschaften geworden. Drogen- und Waffenhandel sowie Korruption, die früher unbedeutend war, bedrohen heute auf gefährliche Art unsere Sitten. Die Ereignisse, die unsere Nationalmannschaft erschüttern, spielen sich vor den Augen der ganzen Welt ab. Endlich bemerkt man die Missstände im togolesischen Fußball.
Was wünschen Sie Ihrer Mannschaft?
Sie braucht einen Trainer, dessen Autorität nicht angetastet wird. Drei oder vier Trainer in lediglich sechs Monaten – das ist nicht gerade gut für die Disziplin des Teams. Winfried Schäfer hat Erfahrung mit dem afrikanischen Fußball. Meiner Meinung nach wäre er der richtige Mann. Die Bedingungen sind nicht gerade lustig, weil er die undankbare Rolle des Feuerwehrmanns übernehmen müsste.
INTERVIEW: JUTTA HEESS
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