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Bremen räumt auf

ÖFFENTLICHER RAUM Bei einem „antifaschistischen Putztag“ kommenden Samstag soll die Stadt von menschenverachtenden Parolen befreit werden

Jede Parole benötigt gut eine halbe Stunde Zuwendung

„Hitler war geil, Sieg Heil!“ steht auf der Rücklehne des Busses, „Rape me, my friend“ in dicken Lettern auf der Mauer der Schlachte-Promenade. Der „antifaschistische Putztag“, der sich auch als antisexistisch versteht, will der zunehmenden Präsenz von menschenfeindlichen Parolen im öffentlichen Raum zu Leibe rücken. Angelehnt an die jährliche Müllsammel-Aktion „Bremen räumt auf“ sind die BremerInnen aufgerufen, am Samstag zu Bürste, Pinsel und Graffitientferner zu greifen.

Der „Antifaschistische Putztag“ ist eine Privatinitiative. Heiner Rosebrock, pensionierter Schulpsychologe, und Oliver Kahrs, angehender Landwirt, haben sie gestartet: „Diese Schmierereien begleiten mich mein ganzes Leben lang“, sagt Kahrs. Angefangen bei den omnipräsenten Hakenkreuzen auf der Schultoilette bis zu seiner ersten Ausbildung bei Mercedes, wo praktisch auf jeder Toilette „Türken raus“ oder Ähnliches gestanden habe. Kahrs: „Ich habe die Schnauze voll.“ Rosebrock drückt sich gewählter aus, meint aber dasselbe: Die Schamgrenze, im öffentlichen Raum aggressiv aufzutreten, habe sich signifikant gesteigert. Unter der Adresse putztaghb@web.de sammeln die Aktivisten Hinweise.

Mohamed Erdinc kennt ziemlich viele aus direkter eigener Anschauung: Seit sechs Jahren müht er sich im Auftrag des Amtes für Straßen und Verkehr (ASV) mit ihnen ab, jede Parole benötige im Durchschnitt eine halbe Stunde Zuwendung, sagt er. Zehn Minuten muss ein Spezial-Gel einwirken, dann kommt die Stahlbürste, hinterher der Hochdruckreiniger. Für die Innenstadt gelte die klare Anweisung, derartige Parolen ohne jeden Zeitverzug zu entfernen, bestätigt Arend Kiefer, beim ASV zuständig für die innerstädtischen Ingenieurbauwerke – also auch die Brücken, die wegen ihrer Sichtbarkeit besonders gern als Parolenträger verwendet werden. In den anderen Stadtteilen hingegen könne es mangels ausreichender Kapazitäten durchaus vorkommen, das Sprüche länger präsent bleiben.

Das ASV unterstützt den „antifaschistischen Putztag“ ausdrücklich. Allerdings dürfen dabei nur Parolen an öffentlichen Infastrukturen beseitigt werden. Unternehmen wie die BSAG hätten große Kooperationsbereitschaft signalisiert, sagt Kahrs. Lediglich die Sparkasse habe sich angesichts der Hakenkreuze auf ihren Geldautomaten etwa am Bahnhof mit dem Hinweis begnügt, es handele sich um von einer Fremdfirma geleaste Geräte.

Nach Angaben der Initiatoren sind Immobilienbesitzer verpflichtet, verfassungsfeindliche Symbole von ihren Wänden zu entfernen. Beim Eigentümerverband „Haus und Grund“ konnte diese Information nicht ad hoc bestätigt werden. Man halte es aber für sehr sinnvoll und geboten, entsprechend aktiv zu werden, so „Haus und Grund“-Geschäftsführer Bernd Richter auf Nachfrage. HB

19. Juli, 15 Uhr, Start: Bahnhofsvorplatz. Planungstreffen: 16. Juni, 20 Uhr, Infoladen, St. Pauli-Straße 10

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