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SYLVIA PRAHL
Unser Nussknacker zickt. Wenn man ihm eine köstliche Walnuss in den Schlund steckt, zertrümmert er sie nur bei jedem dritten Versuch ordnungsgemäß. Lieber spuckt er sie aus und schleudert sie im hohen Bogen durch den Raum. Das generiert selbstverständlich auch Spaß, nur eben anders als bei Marie und Fritz, den tanzverrückten und fantasiebegabten Kindern der Familie Stahlbaum in Peter Iljitsch Tschaikowskis Ballett „Der Nussknacker“. Der knackt die Nüsse versiert, bis er von Fritz versehentlich in zwei Teile zerbrochen in Maries Puppenbett genesen soll – und, von Marie im Traum zum Leben erweckt, ihr eine rauschende, pubertär-schwärmerische Tanznacht schenkt. Bevor man sich mit dem Nachwuchs aufmacht, die Geschichte im Theater zu bestaunen, ist es sinnvoll, alle Ausflügler vorher mit dem Stoff vertraut zu machen, schließlich fehlen im Ballett erklärende Texte. Ganz hervorragend eignet sich dafür Marko Simsas „klingendes Bilderbuch“ vom Nussknacker. Eingangs erklärt der österreichische Kindertheatermacher, wie es so zugeht im Orchestergraben und im Zuschauerraum. Simsa erzählt die Geschichte vom Nussknacker leichtfüßig und ohne Umschweife, zitiert dabei Originaltextstellen aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Nussknacker und Mäusekönig“, und Silke Brix’ kauzige Illustrationen machen die Ballettaufführung lebendig. Dem großformatigen Buch liegt eine CD bei, auf der Simsa die Geschichte in launiger Märchenonkelmanier etwas ausführlicher vorträgt und die entsprechenden Musikstücke vorstellt, die meisten in voller Länge. Simsas Anliegen, den Kleinen auf humorvolle und unterhaltsame Art klassische Musik schmackhaft zu machen, geht auch in dieser Produktion voll auf (Jumbo, 32 Seiten, Buch inkl. CD 20,60 €).
Und wer zwischen den gefühlt 120 TV-Sendeterminen von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ einmal vor die Tür treten möchte, geht doch am besten in eine der beinahe täglichen Musical-Aufführungen nach den Motiven des gleichnamigen Märchens der Schriftstellerin Bozena Nemcová in die Komödie am Kurfürstendamm. Bereits Vierjährige folgen der Feel-Good-Story anderthalb Stunden ohne mit der Wimper zu zucken – Pause inklusive. Die Tatsache, dass „echte Menschen“ und keine Puppen auf der Bühne ihren Dienst taten – und ein fast wie echt aussehendes Pferd –, haben meine Tochter völlig von den Socken gehauen, aber auch sonst besticht die Aufführung, die sich explizit nicht an der filmischen Vorlage entlang hangelt, durch poetische Herrlichkeit und sie zaubert zuverlässig Lichterglanz ins Kinderauge (www. komoedie-berlin.de, 10–19 €, ab 4 Jahren).
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