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Ronaldo macht hitzefrei

Nach einem bescheidenen 1:0 gegen Kroatien behauptet Brasiliens Trainer Parreira, die Seinen hätten „nur 60, 70 Prozent“ gegeben, will aber ein streikendes Sturmpummelchen weiter aufbieten

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

Heiß war’s in Berlin. In den S-Bahnen zum Spiel erlitten mehrere Fußballfans einen Hitzekollaps. Wer weiß, vielleicht hatte Ronaldo davon gehört. Er bewegte sich den Temperaturen angemessen – fast gar nicht. Der moppelige Angreifer postierte sich im Spiel der Brasilianer gegen die Kroaten am Strafraum und trat dort ein paar Halme platt. Ronaldo, so schien es, befand sich im Streik. Aber wogegen streikte er? Dagegen, dass ihm beim Einlaufen das dickste Kind zugeteilt worden war? Dass die Schuhe wieder zu eng gewesen sind und die Blasen rieben? Dass die Geräuschkulisse durch das Geschrei der kroatischen Fans immer wieder die 120-Dezibel-Grenze überschritt?

Vielleicht hatte er auch nur hitzefrei genommen. Das ist im Grunde keine schlechte Idee, wenn sogar um 21 Uhr noch Temperaturen von knapp 30 Grad herrschen, bei der weltgrößten Fußballmesse aber trotzdem nicht zu empfehlen. Wie auch immer, wenn Flanken kamen, duckte Ronaldo sich ab. Wenn Pässe geschlagen wurden, ignorierte er die Anspiele. Das hatte auch DFB-Späher Urs Siegenthaler beobachtet: „Sein Spiel war eine Provokation. Bei den alten Männern hätte man gefragt: Hast du kein Shampoo dabei? Ich frage mich, warum die anderen das mitmachen.“ Ronaldo schien Kraft zu sparen. Aber wofür? Für den einen Fernschuss, den er losließ – die einzig ernsthafte Arbeitsprobe an diesem Abend.

Nach einer guten Stunde war das Spiel für Ronaldo, erst 29 Jahre alt, dann beendet. Die Gefahr einer drohenden Dehydrierung hatte er stehenden Fußes vermieden. Für ihn kam Robinho aufs Feld. Der sprintete, hastete den Kroaten hinterher und scheute keinen Zweikampf. Wenn Robinho ein Ronaldo-Spiel spielte, er würde wohl für alle Zeiten aus dem Kader des fünfmaligen Weltmeisters gestrichen, mit Schimpf und Schande davongejagt werden. Ronaldos Stehversuche im Strafraum bleiben indes ohne Sanktion.

„Er wird auch im nächsten Match spielen“, sagte sein Trainer Carlos Alberto Parreira. „Er ist nicht so spritzig, aber dafür braucht er Spielpraxis. Er ist ein Schlüsselspieler für uns – und er wird besser werden.“ Gut, räumte der Coach ein, seinen besten Tag habe Ronaldo nicht gehabt. Warum, wusste er auch: „Er war ein bisschen langsam heute, weil er die Hitze gespürt hat.“ Die Zeitung Folha de São Paulo zeigte etwas weniger Verständnis für das träge Sturmpummelchen: „Brasilien gewinnt mit einem toten Ronaldo auf dem Feld.“ Die Form von Ronaldo war auch bei den Kroaten ein heißes Thema. „Ich bin mir nicht sicher, ob er müde oder ausgelaugt war“, fragte sich Robert Kovac. Josip Simunic glaubte die Ursache für Ronaldos Sturm-Stupor erkannt zu haben: „Das lag an unserer Abwehr. Er wird bestimmt noch vier, fünf Tore machen.“ Jurica Vranjes, der von der Bank aus das Spiel beobachtete, brachte es auf den Punkt: „Ronaldo? Habe ich überhaupt nicht gesehen.“

Das hätten auch die Journalisten behaupten können, die nach dem Spiel vergeblich auf das Auftauchen von „O Fenomeno“ warteten. Ronaldo hatte sich zusammen mit Ronaldinho über einen Nebenausgang davongestohlen. Das ist eigentlich untersagt, wie der ehemalige Pressesprecher der Fifa, Keith Cooper, weiß: „Für manche Spieler gibt es halt Ausnahmen.“

Zumindest Ronaldinho hätte sich für seinen Auftritt vor 72.000 Zuschauern nicht schämen müssen. „Ronaldinho wurde von zwei, drei Spielern immer gedeckt. Er hat gut gespielt, aber er hat nicht mit Fröhlichkeit gespielt“, sagte Parreira.

Schuld daran waren die Kroaten. Sie dominierten die zweite Hälfte des Spiels. „Wir müssen uns Komplimente machen“, sagte Simunic, „wir haben schließlich nicht gegen den Kreismeister, sondern gegen den Weltmeister verloren.“ Trainer Zlatko Kranjcar widersprach der Auffassung seines Kollegen Parreira, Brasilien habe nur „mit 60, 70 Prozent“ gespielt. „Das glaube ich nicht. Wir waren einfach über weite Strecken die bessere Mannschaft. Aber einen Fehler gegen Brasilien darf man sich eben nicht erlauben“, sagte Kranjcar. In der 44. Minute hatte Kaka getroffen. Das Tor fand Ivan Klasnic, Profi des SV Werder Bremen, ziemlich gelungen, aber von der Mannschaftsleistung der Brasilianer hielt er nicht viel: „Wenn die so weiterspielen, werden die nicht Weltmeister.“ Aber wer weiß, vielleicht wird es bald kühler und Ronaldo entdeckt die Lust an der Bewegung wieder.

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