FELIX ZIMMERMANN WURST IST MEIN GEMÜSE:
Diese Kolumne widme ich meiner Großmutter, dieser kleinen Frau mit silbergrauem Haar, die bei der Arbeit in Haus und Küche stets einen weißen Kittel trug, ansonsten von zeitloser Eleganz Strümpfe strickend, Radio hörend oder Tagebuch schreibend im Lehnstuhl saß.
Ihrer nordhessischen Herkunft und bodenständigen Genussfreude – die von ihrem Leben als Pfarrerstochter und Pfarrfrau nicht infrage gestellt wurde – ist es zu verdanken, dass ihre zwölf Enkel in einer Welt aufwuchsen, in der Zutaten wie Schmand, gebräunte Zwiebeln, ausgelassener Speck und Hefeteig eine wohlige Atmosphäre schufen. Die Krönung war, wenn sie eine lange, einigermaßen harte Wurst aufschnitt und „Wurschtenbrote“ schmierte.
Wir nannten diese Wurst „Großmutterwurst“, bekannter ist sie als „Ahle Worscht“, zu Hause in Nordhessen, rund um Kassel im waldreichen Bergland. Wer auch nur ungefähr in der Gegend ist, sollte einen Abstecher machen, eine Metzgerei suchen und „Ahle Worscht“ kaufen. Die Genussfreunde von Slow Food zählen sie zu Recht zu „den großen europäischen Rohwurstspezialitäten“. Gefertigt wird sie aus dem Fleisch eigens gehaltener „Wurstschweine“, schwerer Tiere, die länger und genussvoller leben dürfen als arme Mastschweine, die für sonstwas herhalten müssen. Die grobe Masse wird gewürzt mit Pfeffer und Salz, manchmal auch Kümmel. Nach der Fertigung muss die Wurst mehrere Monate reifen, hängt als ringförmige „Dürre Runde“ oder lange „Stracke“ in der Luft, ehe sie – mürbe im Biss, niemals hart – aufs Brot kommt oder auf die Faust.
Der Nordhesse trinkt schwarzen Kaffee dazu. Da muss man ihm nicht folgen, aber seine Worscht: ein Hochgenuss.
■ An dieser Stelle besprechen wir abwechselnd Würste und bedienen uns aus der winterlichen Gemüsekiste
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