: Konkurrenz bei der Suche nach Wahrheit in Honduras
PUTSCH Am ersten Jahrestag ruft die linke Opposition ihre eigene Wahrheitskommission ins Leben
VON CECIBEL ROMERO
Seit Montag dieser Woche gibt es in Honduras zwei Wahrheitskommissionen, die die Vorgänge um den Staatsstreich gegen Präsident Manuel Zelaya am 28. Juni vergangenen Jahres untersuchen sollen. Die erste wurde bereits im Mai von Präsident Porfirio Lobo vereidigt und heißt offiziell „Kommission für Wahrheit und Versöhnung“. Die zweite nahm am ersten Jahrestag des Putschs ihre Arbeit auf. Sie wurde von einem Zusammenschluss verschiedener Menschenrechtsorganisationen zusammengestellt und heißt schlicht „Wahrheitskommission“.
Zwischen beiden Gremien gibt es einen wesentlichen Unterschied. „Unsere Wahrheitskommission hat nicht das Ziel, die zusammengetragenen Informationen für die nächsten zehn Jahre in den Geheimarchiven des bürgerlichen Staats einzuschließen“, sagt Berta Oliva vom Komitee der Angehörigen von verschwundenen Verhafteten in Honduras (Cofadeh).
Sensible Ergebnisse von Lobos Kommission sollen dagegen zunächst im Nationalarchiv verschwinden und erst in zehn Jahren veröffentlicht werden. Unter anderem deshalb lehnen die in der Nationalen Widerstandsfront zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen die staatliche Kommission ab. Ihr eigentliches Ziel sei es, die Putschisten reinzuwaschen. Die Opposition wurde erst gar nicht zur Teilnahme eingeladen. Ihrer jetzt gegründeten Wahrheitskommission gehören zwei Honduraner und acht Ausländer an, unter anderem der ehemalige argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel und seine Landsfrau Nora Cortiñas von der Bewegung der Mütter der Plaza de Mayo.
Die Sicht des gestürzten Zelaya auf die Ereignisse vor einem Jahr wurde beim Gründungsakt der Gegenkommission von dessen Gattin Xiomara Castro verlesen. „Alles deutet darauf hin, dass der Staatsstreich auf der Militärbasis von Palmerola vom Südkommando der US-Armee geplant und dann von willfährigen Honduranern dilettantisch ausgeführt worden ist“, schreibt der ehemalige Staatschef. Zelaya war am Tag des Putschs im Morgengrauen von Militärs aus dem Bett geholt und nach Costa Rica ausgeflogen worden. Er lebt in der Dominikanischen Republik im Exil.
Obwohl das tropische Unwetter „Alex“ Honduras am Jahrestag des Putschs mit starkem Regen überzog, kam es im ganzen Land zu Demonstrationen und Kundgebungen der Nationalen Widerstandsfront. Die starke Präsenz von Sicherheitskräften in den Städten und die unzähligen Kontrollpunkte der Armee auf Überlandstraßen wurde von der Opposition als „Einschüchterungsversuch“ denunziert.
Widerstandssprecher Rassel Tomé gab bekannt, dass bislang 600.000 Unterschriften für die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung gesammelt wurden. Wenn die doppelte Anzahl erreicht ist, will die Opposition damit das Parlament unter Druck setzen. Zelaya wollte am Tag des Putschs eine Volksbefragung über ein Referendum zu einer verfassunggebenden Versammlung abhalten, um dann mit einem neuen Grundgesetz die Macht der Oligarchie einzuschränken.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten hat gegenüber der Regierung Lobo schon mehrfach ihre Besorgnis über anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Honduras geäußert. Vor allem Richter, Lehrer und Gewerkschafter würden verfolgt und zum Teil auch getötet. Cofadeh hat seit Januar bereits über 300 Menschenrechtsverletzungen dokumentiert – von Todesdrohungen über illegale Verhaftungen bis hin zum Mord. Allein acht Journalisten wurden erschossen. Nach offizieller Darstellung handelt es sich dabei jedoch nicht um politische Delikte, sondern um ganz gewöhnliche Kriminalität.
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