: Vom Tode Brunos
Der erste deutsche Bär seit 170 Jahren ist erlegt worden. Eine Betäubung war nicht möglich
AUS SCHLIERSEE MAX HÄGLER
Das Ende kam unerwartet schnell. Gestern früh um 4.50 Uhr ist Bruno der Bär alias JJ 1 in den bayerischen Voralpen, nahe dem Schliersee, erschossen worden. Ein Schuss sei es gewesen, aus 150 Meter Entfernung, erklärte einige Stunden später Bayerns Umweltstaatssekretär Otmar Bernhard (CSU) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der bayerischen und österreichischen Behörden. „Er war sofort tot.“ JJ 1 war der erste Bär, der seit etwa 170 Jahren Mitte Mai in Deutschland gesichtet worden war.
Am Sonntagabend gegen 20 Uhr sei das Ministerium in München informiert worden, dass der Bär vor der Rotwandhütte auf etwa 1.700 Meter herumtolle. Die Gäste hätten gerade beim Abendessen gesessen, berichtete Hüttenwirt Peter Weihrer der Nachrichtenagentur dpa. „Ich habe die Leute beruhigt und gebeten, nicht aus dem Haus zu gehen.“ Schließlich sei er selbst vor die Türe gegangen und habe den Bären angeschrien, der daraufhin geflüchtet sei. „Er hat vor uns Angst gehabt.“
Nach Angaben der Behörden hat er aber in Sichtweise der Hütte weiter gefressen und im nahen Bachlauf getrunken. Daraufhin seien drei behördlich beauftragte Jäger aufgestiegen und hätten den Bären im Morgengrauen erlegt. „Es blieb in der Abwägung Sicherheit und Artenschutz keine andere Möglichkeit“, so Bernhard. Der zweijährige Bruno sei ein Risikobär gewesen, oft sei er in Siedlungsgebieten aufgetaucht und habe kaum Scheu vor Menschen gezeigt. „Es bestand die Gefahr, dass er sich dort in die Enge getrieben fühlt und einmal zuschlägt.“ Ihn zu betäuben sei nicht möglich gewesen, weil das Schussfeld zu unübersichtlich war und sich die Jäger nicht gefahrlos bis in Reichweite eines Betäubungsgewehres nähern konnten.
Der Tiroler Landesrat Anton Staixner sagte: „Es war ein Sonderling, es blieb keine andere Lösung, auch wenn es eine unpopuläre Entscheidung war.“ Staixner beklagte, die Medien hätten nur auf Bruno geachtet, nicht auf die mindestens 35 Tiere, die er in den letzten Wochen in Österreich und Bayern gerissen hatte – meist durch einen Prankenhieb. „Die Tierschützer sollen verstehen, dass auch Schafe leidensfähig sind!“
In der Gemeinde Schliersee dagegen ist man empört über den Abschuss. „Ich dachte, bei uns ist die Todesstrafe abgeschafft“, kritisierte gestern Bürgermeister Toni Scherer lautstark während der Pressekonferenz. „Der Bär ist in freier Wildbahn geschossen worden – dabei gehören Mensch und Natur doch zusammen.“ Hubert Weinzierl, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, warnte: „Bären der Welt, meidet Bayern!“
Mit dem Hinweis auf mögliche Anschläge militanter Tierschützer und bereits erfolgte Morddrohungen bliebt vieles ungeklärt: Weder Kaliber noch Schütze oder Entscheidungsträger wurden bekannt gegeben. Auch die Münchner Tierklinik bleibt geheim, in der Bruno derzeit untersucht, zerlegt und hernach ausgestopft wird. Mit dem Hinweis „auf die Würde des Bären“ verweigerte das bayerische Umweltministerium sogar die Herausgabe eines Fotos.
So ein Ende war den Verantwortlichen in Österreich und Bayern eigentlich unrecht. Auf gemeinsame Initiative hin hatten finnische Bärenjäger zwei Wochen lang versucht, Bruno lebend zu fangen. Am Freitag waren sie abgereist. „Sie haben seine Fährte teilweise 18 oder 19 Stunden am Stück verfolgt, aber hatten leider keinen Erfolg“, so Bernhard. Am Samstag verständigten sich Bayern und Tirol schließlich auf den Abschuss des Bären, der im Tagestakt die Landesgrenzen überschritten hatte. Er war über 350 Kilometer marschiert.
Für das nächste Jahr erwarten die Behörden den nächsten Bären, der sich vom italienischen Trentino Richtung Bayern aufmacht. Dieser JJ 3 wird nicht zwingend abgeschossen. „Wenn ein normaler Bär den Weg nach Bayern findet, ist er herzlich willkommen“, kündigte Staatssekretär Bernhard an.
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