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CHRISTIAN BUSSJENSEITS VON SÜDAFRIKAKokain und Exekutionen

Der Knast als Karrierechance: Johnny Cash saß ja nie so viel im Gefängnis, wie das seine Songs nahelegen – trotzdem veränderte der US-Strafvollzug sein Leben. Am 13. Januar 1968 spielte er im Folsom Prison ein Konzert, das als Erstes dieser Art auf Platte gebannt wurde.

In den zehn Jahren zuvor nahm Cash Amphetamine, und so richtig wusste seine Plattenfirma damals nichts mit dem Haudrauf anzufangen. Beim Auftritt im Hochsicherheitsgefängnis fand Cash dann eine neue Bestimmung – als Mittler zwischen dem sozialen Mainstream und den Nichtgesellschaftsfähigen.

Filmaufnahmen existieren nicht, nur Fotos. Sie zeigen einen eher vorsichtigen Johnny Cash, wie er mit Lebensgefährtin June Carter und den Tennessee Three durch die fünfeinhalb Meter hohen Granitmauern schreitet. Der Blick ist wachsam, Cash qualmt wie ein Schlot. Umso entspannter dann – die Tonaufnahmen belegen das – die Atmosphäre später im Speisesaal, wo der Sänger sein straffällig gewordenes Publikum mit Kokaingeschichten und Exekutionsdramen erfreut.

Dass es keine Bewegtbilder vom Gig gibt, ist von Vorteil. Statt in der Aura von Cash zu baden, nähern sich Bestor Cram (Regie) und Michael Streissguth (Buch) dem Stoff auf ergiebigere Weise – in einer Mixtur aus Musikerporträt, Gesellschaftsanalyse und Knacki-Biografien. Ausführlich werden die Lebenswege einiger Krimineller nachgezeichnet. Zu Wort kommt auch der Songwriter Merle Haggard, der Ende der Fünfziger wegen eines Raubüberfalls in der Strafanstalt San Quentin inhaftiert war. Angeblich sagte Cash dem immer wieder mit dem Gesetz aneinandergeratenen Haggard: „Du bist der, für den mich die Leute halten.“

Auch das wird in „Johnny Cash at Folsom Prison“ klug herausgearbeitet: Wie Cash, der Mann in Schwarz, als vermeintlich Gesetzloser zur vielleicht größten Projektionsfläche der Popgeschichte wurde.

Johnny Cash at Folsom Prison, Sa., 22.30 Uhr, Phoenix

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