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portraitEin Politprofi mit Doppelleben

Chaled Meschal, der Vorsitzende des Politbüros der Hamas, führt ein Doppelleben. Als Chef einer demokratisch gewählten Partei gibt er Interviews und trifft Minister. Als höchster Vertreter einer international geächteten Terrorgruppe taucht er anschließend sofort unter, weil er jederzeit mit Mordanschlägen rechnen muss. Schon einmal entkam der 50-Jährige nur knapp dem Tod: 1997 verabreichten ihm Mossad-Agenten in der jordanischen Hauptstadt Amman ein Gift. Da die beiden Attentäter gefasst wurden, konnte der jordanische König von den Israelis das Gegengift erpressen.

Meschal, der die Hamas in den 80ern mitbegründete, ist ein Politprofi. Der kleine Mann mit dem grau melierten Vollbart hält im Palästinensercamp flammende Reden, gegenüber westlichen Journalisten argumentiert er sachlich. Als die Hamas Selbstmordanschläge gegen israelische Restaurants verübte, galt der im Exil lebende Meschal als gemäßigter Vertreter der Organisation. Seit dem Wahlsieg der Hamas und dem pragmatischen Kurs von Ministerpräsident Ismail Hanijeh wird Meschal gerne den Hardlinern zugerechnet.

Dabei gibt sich der Parteivorsitzende zunehmend realistisch. Mehrfach erklärte er, die Hamas sei zu einer langfristigen Waffenruhe bereit, falls Israel sich hinter die Grenzen von 1967 zurückziehe. Damit würde die Hamas Israel de facto anerkennen und einen palästinensischen Staat im Westjordanland und in Gaza akzeptieren.

Sollten die Grenzen von 1967 wieder hergestellt werden, könnte Meschal in seine Heimat zurückkehren. Als elfjähriger Junge wurde er mit seiner Familie aus der Nähe von Ramallah vertrieben und floh nach Kuwait, wo er später Physik studierte. Einige Jahre arbeitete er als Lehrer in Jordanien, bevor er 2000 ausgewiesen wurde und nach Syrien kam.

Seitdem lebt Meschal mit seiner Frau und sieben Kindern in Damaskus. Von dort gibt der Politiker das strategische Okay für den bewaffneten Kampf in Palästina. Details kenne er jedoch nicht, betont Meschal regelmäßig. Denn Aktionen wie Selbstmordattentate würden vom „Widerstand“ innerhalb Palästinas organisiert. Jetzt ist Meschal wieder einmal untergetaucht. Israel macht ihn für die Entführung eines israelischen Soldaten in Gaza verantwortlich. Die Hamas-Führung in Damaskus versichert, der bewaffnete Arm der Hamas habe den Überfall auf den israelischen Militärposten eigenständig geplant und durchgeführt.

Meschal ist dennoch vorsichtig. Nach den gezielten Tötungen der Hamas-Führer Scheich Ahmad Jassin und Abdel Asis al-Rantisi im Jahr 2004 steht er nach wie vor ganz oben auf der Liste israelischer Anschlagsziele.      KRISTIN HELBERG

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