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Airbus kriegt Führung

Führungskrise als Chance: Der deutsch-französische Luftfahrtkonzern EADS schafft straffere Zuständigkeiten. Briten verkaufen ihren Airbus-Anteil

Passionierter Hobbyflieger aus Frankreich wird Airbus-Chef

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die neuen Chefs des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS übten sich gestern in Zuversicht: „Mit vollem Einsatz und in gemeinsamer Arbeit bringen wir die EADS wieder auf Kurs.“

Der deutsch-französische Konzern war in den letzten Wochen in eine schwere Führungskrise geraten: Am Sonntagabend hatte der Verwaltungsrat den französischen Konzernchef Noël Forgeard entlassen. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen verbotener Insidergeschäfte. Er hatte im März EADS-Aktien mit einem Gewinn von 2,5 Millionen Euro verkauft – am 14. Juni wurden dann Probleme beim Tochterunternehmen Airbus bekannt. Lieferschwierigkeiten beim Riesenjumbo A 380 dürften den Konzerngewinn um 2 Milliarden Euro schmälern. Zudem kommt das neueste Modell A 350 bei den Kunden nicht an.

Der geschasste Forgeard hatte EADS gemeinsam mit dem deutschen Topmanager Tom Enders geführt. Er darf an der Konzernspitze bleiben, entschied der Verwaltungsrat. Dafür musste ein anderer Deutscher zurücktreten: Airbus-Chef Gustav Humbert. Er hatte diesen Posten 2005 von Forgeard übernommen.

Obwohl Forgeard noch letztes Jahr für Airbus verantwortlich war, ist er sich keiner Schuld bewusst: Persönliche Differenzen an der EADS-Spitze hätten seine Lage „unhaltbar gemacht“. Er habe eben „kein Talent und keine Leidenschaft für subtile Machtspiele und Intrigen“. Sein Amtsende nannte Forgeard einen „Rücktritt im Interesse des Konzerns“.

Sein Nachfolger in der EADS-Doppelspitze wurde auf ausdrücklichen Wunsch der französischen Regierung Louis Gallois (62). Der bisherige Chef der französischen Staatsbahn SNCF gilt als harter Sanierer. Bei Airbus wird der entlassene Humbert durch den Franzosen Christian Streiff (51) ersetzt. Der Lothringer ist passionierter Hobbyflieger und Absolvent einer französischen Eliteschule. Zuletzt war er stellvertretender Vorstandschef des französischen Glasherstellers Saint Gobain. Gallois und Enders erklärten gestern, dass Airbus zur „obersten Priorität“ würde.

Gleichzeitig wurden die Zuständigkeiten bei EADS klarer getrennt: Gallois ist nun der direkte Vorgesetzte des Finanzvorstands sowie der Leiter der Raumfahrt-, der Hubschrauber- und der Rüstungssparte. Vor allem bei der Helikopter-Produktion kann sich EADS keine Panne erlauben. Erstmals nämlich haben die US-Streitkräfte bei der EADS-Tochter Eurocopter Hubschrauber im Wert von 3 Milliarden US-Dollar bestellt – der „Durchbruch in das amerikanische Verteidigungsgeschäft“ (EADS).

Der neue Airbus-Chef Streiff wurde direkt dem deutschen EADS-Chef Tom Enders unterstellt, der zukünftig alleine für die Tochter Airbus zuständig sein soll. Eine klare Aufgabenteilung an der deutsch-französischen Doppelspitze soll also helfen, die Probleme bei EADS zu bewältigen. Bei deutschen Wirtschaftsexperten ist diese Doppelspitze allerdings nach wie vor in etwa so beliebt wie ein Renault oder Peugeot auf einem Mitarbeiterparkplatz von Daimler in Sindelfingen und bei den Franzosen wie Rheinwein in einem Supermarkt in Bordeaux.

Schon länger will der britische Rüstungskonzern BAE sein vertraglich zugesichertes Recht nutzen, seinen Anteil von 20 Prozent an Airbus an EADS zu verkaufen. Den Preis dafür legte gestern die Investmentbank Rothschild in Amsterdam fest: 2,75 Milliarden Euro. Das ist billiger als erwartet: Der Bilanzwert des BAE-Anteils an Airbus liegt bei 3,5 Milliarden Euro. Börsenhändler fürchten nun, dass die Probleme mit dem Prestigeflugzeug A 380 noch größer sein könnten, als EADS bisher zugegeben hat.

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