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HAMBURGER SZENE VON JAN KAHLCKEKein Problem

Es hätte so ein schöner Sommer werden können. Das Abi hatte er geschafft, das verriet der Aufdruck auf seinem T-Shirt. Eine laue Sommernacht. Nur die Deutschland-Fahne, die bis zu den Knöcheln herunterhing, lastete nun auf seinen Schultern. „Scheiße!“, zischt es aus seinem blassen Gesicht, „Scheiße!“, verzweifelt, als würden gleich Tränen kommen. Und dann laufen auch noch drei junge Spanier vorbei, ebenfalls knöchellang in Gelb-Rot behängt, nur ohne Schwarz, umarmen einander im Gehen, und freuen sich gar nicht mal überschwänglich über den Sieg gegen Deutschland, kichern eher in sich hinein.

Unser junger Abiturient mit der randlosen Streber-Brille zögert einen Moment, aber als sie vorbei sind, fasst er sich ein Herz, setzt seine Stimme ein wenig tiefer an als sonst und ruft: „Hast du ein Problem, du Fotze?“ Einen Augenblick liegt ein Knistern über dem Menschengewühl auf dem Platz am Rande des Fanfestes. Aber die drei denken sich vermutlich, dass es müßig wäre, ihm jetzt umständlich zu erklären, dass sie alles Mögliche haben, nur kein Problem. Sie gehen einfach weiter und lachen.

Der Abiturient sieht erleichtert aus. Von irgendwo rollt ein Plastik-Bierbecher auf ihn zu. Er fixiert ihn. Macht drei Schritte auf ihn zu. Und: „Schland!“, saust sein Schuh auf den Becher nieder. Klingt es nicht so? Doch, wieder macht es „Schland!“, und immer wieder „Schland!“. Der Bierbecher ist erstaunlich widerstandsfähig, formt sich immer wieder zurück: fürs nächste „Schland!“.

Noch zwei junge Männer mit Deutschland-Umhang kommen vorbei. Der eine grinst den anderen an und fragt: „Wer hat nochmal gegen wen gespielt?“

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