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Schlecht beleuchtet im Krankenhaus

DOKU Niveaulos und eindimensional: „37° Ich will ein Baby ohne Mann“ (ZDF, 22.15 Uhr)

Falls Sie sich heute nach dem „heute journal“ als Voyeur bei einer gynäkologischen Behandlung wiederfinden, bei der zwei Frauen ein phallusartige Inseminationsgerät gezeigt bekommen, das sogleich „schmerzfrei eingeführt“ werden soll – wundern Sie sich nicht. Nein, niemand hat Ihren Fernseher manipuliert. Sie haben auch nicht aus Versehen zu RTL II gezappt, sondern sind immer noch beim ZDF.

Die Doku „Ich will ein Baby ohne Mann“ begleitet vier Frauen, die sich für ein Kind per Samenbank entschieden haben: ein lesbisches Paar, eine „Karrierefrau“ (sic!) und eine alleinerziehende Mutter, die mit 42 das zweite Kind möchte. Aber wie: Mit spitzen Fingern werden die Frauen als bemitleidenswerte Freaks ausgestellt, für die eine natürliche Fortpflanzung aus verschiedenen Gründen (Frauenliebe, Karriere, Beziehungsprobleme) nicht infrage kommt. Über die bereits viermonatige Tochter der „Karrierefrau“ heißt es: „Liv ist kein Kind der Liebe zwischen Mann und Frau.“ Der Sprecher tut überhaupt sein Bestes, mit überheblichem Tonfall jegliche Empathie zu zerstören: „Sie war nie verheiratet, dafür aber erfolgreich bei einer Investmentfirma in Luxemburg.“

Die Kamera hält drauf, wenn Tina und Janine nach Blutungen in der sechsten Schwangerschaftswoche schlecht beleuchtet im Krankenhaus sitzen. „Ich weiß einfach nicht, wie ich mich jetzt fühlen soll“, weint Tina in die Kamera – das ist Schmuddel-TV vom Feinsten. Hier wird weder sensibel mit den Protagonistinnen umgegangen noch über „Babys ohne Männer“ informiert. Es geht allein um die verzweifelten Versuche der Frauen, schwanger zu werden – beziehungsweise darum, dass Liv die „Karrierefrau verändert hat“, sie aber trotzdem auf Kita-Suche geht. Ob auf RTL II wohl gerade etwas Besseres läuft?

KIRSTEN REINHARDT

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