leserinnenbriefe :
Provoziertes Aufregerthema
■ betr.: „Politikbetrieb abgeraucht“, taz vom 6. 7. 10
Aber holla, wem ist denn da der Gaul durchgegangen? Mal davon abgesehen, dass in Bayern nicht 61 Prozent der Wähler für den verschärften Nichtraucherschutz votiert haben, sondern 61 Prozent von 37,7 Prozent, also noch nicht einmal eine einfache Mehrheit.
Die Freiheit der persönlichen Lebensführung endet dort, wo sie die körperliche Unversehrtheit anderer konkret verletzt? Theoretisch ein guter Ansatz, aber wohl keine Realität. Wie sieht es zum Beispiel mit der Herausgabe von Printmedien aus, wegen deren Papierbedarf massenweise Wälder gerodet werden, den größten (ehemaligen) CO2-Bindern der Welt? Was ist mit der massenweisen Freisetzung von Kohlendioxid durch Verbrennung von fossilen Baumbeständen (Erdöl), mit dem „Abfall“ aus der Atomindustrie, der noch in Dekaden strahlen wird, den „Störfällen“ in Atommeilern, Häufung von Leukämiefällen in der Nähe derselben? Jedenfalls erscheint da doch die Frage, ob zum Beispiel in abgetrennten Zimmern einer Gaststätte geraucht werden darf oder nicht, als provoziertes Aufregerthema für den Urnenpöbel (O-Ton Georg Schramm), damit er beschäftigt ist und nicht wegen anderweitig schreiender Ungerechtigkeiten auf die Straße geht. PETER GROH, Iserlohn
Einfach mitrauchen dürfen
■ betr.: Rauchverbot und Aufschrei der Raucher
Dass die Raucher sich über die Intoleranz der Nichtraucher ärgern, ist verständlich. Ich muss zugeben, dass mir noch nie ein Raucher auf meine Frage, ob es ihn störe, wenn ich in seiner Nähe nicht rauche, mit „Ja“ geantwortet hat. Und mir hat auch noch kein Raucher die umgekehrte Frage gestellt – Raucher sind von Haus aus tolerant und dulden, dass man als Nichtraucher in ihrem Windschatten einfach mitraucht. VOLKER FREYSTEDT, München
Dampfhammer gegen Raucher
■ betr.: Rauchverbot
Begriffe wie Toleranz oder Respekt sind den Agitatoren der Nichtraucherbewegung unbekannt. Statt die Eigenverantwortung anderer zu akzeptieren, kennen sie nur den Dampfhammer. Geht es auch anders? Klar! Schauen wir mal nach Spanien. Auch dort gibt es ein Nichtrauchergesetz. Und das überlässt den Betreibenden von Kneipen und auch Restaurants die Entscheidung, ob in ihren Etablissements geraucht werden darf oder nicht. Fumar si!/Fumar no! Es darf/es darf nicht geraucht werden. Jede und jeder kann für sich entscheiden: si oder no, ob Inhaber, Gäste oder Personal. Was bedeutet das? Liberalität. Einen Wert, der moderne und aufgeklärte Gesellschaften auszeichnen sollte. WOLFGANG REUTER, Düsseldorf
Privatisierung = Spardruck
■ betr.: „Deutsche Brutzel-Bahn“ u. a., taz vom 13. 7. 10
Jetzt ist Jammern angesagt. Es wird der Frust an den MitarbeiterInnen der Bahn ausgelassen. Mich nerven die permanenten Pannen und Verspätungen der Bahn auch, aber es sollte doch die Frage nach den eigentlichen Verantwortlichen für die Misere gestellt werden. Sprecher der Parteien, die sich maßgeblich für die geplante Privatisierung der Bahn eingesetzt und damit den Spardruck initiiert hatten, hängen sich jetzt empört zum Fenster raus. Das ist an Falschheit nicht mehr zu überbieten. Unter welcher Regierung und in wessen Auftrag startete Herr Mehdorn denn den Sparkurs? Irgendwie haben die meisten MitbürgerInnen wohl kein Langzeitgedächtnis mehr. MONIKA WEBER, Darmstadt
Defizite in der Kundenbetreuung
■ betr.: „Deutsche Brutzel-Bahn“ u. a., taz vom 13. 7. 10
Auch unter dem neuen Bahn-Chef Grube kommt es zu nennenswerten Defiziten in der Kundenbetreuung: Anstatt in der meteorologischen heißesten Phase des Jahres mit wohlklimatisierten Zügen für ein angenehmes Reisen zu sorgen, geschieht genau das Gegenteil: die Bielefelder Hitze- und Durstkatastrophe enthüllt, in welch prekärer betriebswirtschaftlicher Situation sich das ganze Unternehmen befindet. So muss es kommen, wenn die Bahn AG weder wirklich privatisiert noch voll in staatlicher Hand ist.
Wohl dem, der in der Schweiz oder Österreich lebt. Die Transportleistungen der dortigen Bahnen sind wegen viel besserer Staatsfinanzen noch immer lobenswert. JÜRGEN BÖCK, Wasserburg/Bodensee
Die Deutsche Bahn hat Mängel
■ betr.: „Deutsche Brutzel-Bahn“, taz vom 13. 7. 10
Wenn die Deutsche Bahn in den Dreck gezogen wird, wofür es auch gute Gründe gibt, dann doch eher aufgrund der unmöglichen Preispolitik, die mich als normalen Kunden für 60 Kilometer von Krefeld nach Köln mit dem Regionalexpress knapp 12 Euro zahlen lässt.
Ich komme gebürtig aus Polen. Als ich dort das letzte Mal Bahn gefahren bin, dachte ich, der Zug springt gleich aus den Gleisen, so laut war das Gefährt und so stark hat es geruckelt. Sicher, die Deutsche Bahn hat Mängel. Und die Reaktionen der Bediensteten waren nicht optimal. Aber das Hauptaugenmerk der Berichterstattung darauf zu richten ist übertrieben. Hat die Welt, hat Deutschland nicht andere Probleme. Warum wird die Aufmerksamkeit auf solche Kleinigkeiten gerichtet? MICHAEL SENDER, Mainz
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