AUF DEM FAHRRADSATTEL: Geld für Spucke
Im Hinterhof meiner Bekannten spucken die Leute echt viel rum. Wir sitzen in der Küche, reden und schweigen auch manchmal, und immer, wenn wir schweigen, hören wir es: Da kommt einer, Tür auf, Tür zu, Rotz hoch durch die Nase, das klingt ganz eklig, und dann spuckt es. „Krass“, sag ich. Mehr fällt mir nicht ein.
„Ich glaub, das ist immer derselbe“, sagt meine Bekannte. „Und sein Sohn. Er hat zwei. Kinder machen doch alles nach.“ „Und warum laufen die so viel hin und her?“, frag ich, aber das weiß sie auch nicht. Und dann reden wir nicht mehr, sondern sitzen wieder und schweigen und lauschen – Tür auf, Tür zu, Rotz hoch und flatsch – und irgendwann mach ich mich auf den Weg nach Hause.
Als ich unten im Hof mein Fahrradschloss aufschließe, sehe ich es: Auf meinem Sattel ist Spucke. Na klasse, denk ich und überlege. Ich hab kein Taschentuch bei, aber ich könnte wieder hoch und mir eins holen und damit die Spucke wegwischen. Aber dann wiederum bin ich müde und faul und beschließe, mein Rad stehen zu lassen und die U-Bahn zu nehmen. Ich schließe das Schloss wieder zu und mache mich auf den Weg. Ich staune nicht schlecht, als ich mein Rad abholen will am nächsten Tag: Statt der Spucke liegt ein 50-Cent-Stück auf dem Sattel. Cool, denke ich, und klingele bei meiner Bekannten. „Ich hoffe, es war der Vater“, sagt sie, wie immer ganz praktisch.
„Dann machen die Söhne auch das bestimmt nach. Wär doch toll!“ Ich stimme zu und wir überlegen, ob wir jetzt selbst auf unsere Sättel spucken sollen – vielleicht fühlt sich dann der eine verantwortlich für den vermeintlichen Rotz der anderen und zahlt. „Ich probier das mal aus“, sagt meine Bekannte. „Kann man ’n Haufen Kohle mit machen, bis sie das schnallen.“ Und dann sitzen wir wieder und lauschen, Tür auf, Tür zu, Rotz hoch und flatsch. JOEY JUSCHKA
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