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Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

„Willkommen bei Angst-Reisen!“, empfängt uns Reiseleiter Philip Horst. Ich hatte es in der Eile übersehen: Die Reise zu einigen Schauplätzen des nächsten Werkleitz Festivals, das im Oktober in Kooperation mit den Künstlern der KUNSTrePUBLIK ausgerichtet wird, stand ganz unter dem Motto: Angst. Meine Angst, wegen Schlafmangel nicht klarzukommen, war wie weggeblasen und ich konnte mich ganz dem Straßenfeger „Das unsichtbare Visier“ hingeben. Dieser schaurig schöne DDR-Krimi, in den 70ern in Kooperation mit der Staatssicherheit produziert, lässt einen vor allem frösteln, wenn afrobrasilianische Damen in schulterfreiem Kleid von weißen Schönheiten mit Schuhcreme im Gesicht gemimt werden. In Halle angekommen: Xenophobie. Ella Ziegler und Herr Schmitt, Landschaftsgärtner aus Halle-Neustadt, bringen uns via Apfelbaumveredlung auf Metareise. Ziegler setzte tschechische Reiser (Triebe) auf deutsche Apfelbäume und tut es in der tschechischen Republik andersherum. Ganz transkulturell. Dumm nur, dass sich Pflanzen nur mit solchen aus derselben Familie veredeln lassen. Weiter über die Dörfer mit Steven Rowell und seinen flinken Kommentaren: Hier eine alte Fabrik mit herrlicher Malerei, dort ein Stasiarchiv, ein Bunker mit Pseudobungalows, die vom tatsächlichen Geschehen ablenken sollten. Drei Seen werden angefahren: ein Steinbruchsee, ein Kiesgrubensee und ein nach Braunkohleabbau renaturierter See. O wundervolle Industrielandschaft. Die mächtigen Leuna-Werke lassen mich verstummen. Nächster Stopp ein Stromhäuschen, das sich als vermeintliche Stasiüberwachungsanlage herausstellte, in dem Rowell bis Oktober eine Soundarbeit plant. Vieles gäbe es noch zu erzählen, von Zukunfts- oder Todesangst. Das Einzige aber, was zählt, ist: hinfahren und sich den Ängsten stellen.

■ Angst hat große Augen. Werkleitz Festival in Kooperation mit KUNSTrePUBLIK: Angst in Form. Bis Oktober 2010, Infos: www.angsthatgrosseaugen.de/

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