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Shooting Las Vegas

Willkommen dort, wo Hollywood in die Lehre geht – in Las Vegas („Das Kino in der Wüste“, Sa., 23.15 Uhr, WDR)

Mit seiner glitzernden Neonkulisse hat Las Vegas wie das Kino das Dunkel nötig, um seine volle Wirkung zu entfalten. Was tagsüber banal, schäbig und immer ein bisschen verkatert anmutet, wird mit Einbruch der Nacht zur Kulisse für Traumspiele aller Art.

Es überrascht nicht, dass das aufgepeppte Wüstenkaff, das 2005 hundert Jahre alt wurde, und die kaum ältere Traumfabrik an der Westcoast schon früh ihre Wahlverwandtschaft erkannten und diese seitdem in hunderten von Filmen pflegten. Ohne das Kino Hollywoods wäre Las Vegas nicht, was es heute ist.

Die Filmkritikerinnen und Katja Nicodemus (Zeit) und Anke Leweke (u. a. taz) gehen in ihrer Dokumentation „Das Kino in der Wüste. Las Vegas von Roy Rodgers bis George Clooney“ (WDR, 23.15 Uhr) der komplexen Beziehung zwischen Kino und Spielerstadt nach. Im Zentrum steht dabei nicht die Geschichte der Stadt, sondern ihr Mythos, wie er im Kino gepflegt wird, ihre (Selbst-)Stilisierung.

Las Vegas ist das Sündenbabel Amerikas, der Ort für Exzess und die Flucht aus der Wirklichkeit des American Dream, der hier zugleich seine Vollendung findet: im Glück des Spielers – der binnen Sekunden vom Niemand zum Millionär werden kann –, das niemandem verschlossen ist. Jeder kann es schaffen.

Nicodemus und Leweke lesen die Wahrheiten im Mythos heraus und zerlegen sie in ihre Einzelteile: die heimliche Klassengesellschaft hinter den Kulissen des Showbiz, die Spieler und die Käuflichkeit der Gefühle, die Frauen, die hier fast ausschließlich als leichtbekleidete Showgirls und Huren vorkommen, die Banken und die Mafia, die in Form des legendären Bugsy Siegel Las Vegas überhaupt erst gründete. Natürlich stehen repräsentative Filme besonders im Zentrum: das legendäre „Ratpack“ um Frank Sinatra und Dean Martin, „Leaving Las Vegas“ oder „Fear & Loathing in Las Vegas“, in seiner hysterischen, in die Form eines LSD-Trips gegossenen Narration der vielleicht treffendste Las-Vegas-Film.

Das ist alles richtig und schön anzusehen, wirklich überraschende Gedanken vermisst man allerdings, und etwas frecher hätte es gerade bei diesem Thema schon sein dürfen. „Das Kino in der Wüste“ ist vor allem für Kinoliebhaber; wer wenig Filme guckt und kennt, dürfte damit nur wenig anfangen können.

So wie Las Vegas sich im Kino erst richtig kennen lernt, erfährt auch dieses umgekehrt von Las Vegas viel über sich. Gerade in den letzten Jahren geht Hollywood in den Vergnügungsparks des globalisierten Kapitalismus noch einmal in die Lehre, was Unterhaltungserfolg ausmacht. In beiden Fällen werden die Kunden selbst zum ersten Produkt. Welches nun die bessere Traumfabrik ist, ist noch nicht ausgemacht. RÜDIGER SUCHSLAND

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