DIE PROFESSOREN: Wahre Klischees
Natürlich gebe es den alten Professor mit roter Krawatte, die er zum matrosenblauen Anzug zu tragen pflegt, der Noten gegen Blowjobs vergebe. Es gebe auch die Habilitierte, witzig, etwas wirr, aber begeisterungsfähig, die bis heute auf ihre Berufung warte und sich derweil von ihren Studenten inspirieren lasse. Und auch den jungen Aufstrebenden, den Hübschen, der Berlin für die erstbeste Stelle verließe und den man darum schnell rumgekriegt haben sollte.
„Alles Klischees. Alles wahr“, sagt sie. Und es gibt ihren Professor. „In der Uni ist er fast nie“, sagt sie. Und wenn doch, dann schlängelten sich Rauchschwaden unter seiner Tür hervor. Dazu lässt sie ihre Hand tänzeln.
An seiner Bürotür hängt das „Rauchen verboten“-Schild mit einer Illustration, unter der geschrieben steht: „Nur Idioten rauchen!“ Hingehängt haben könne das jeder. Hängen lassen aber könne nur er es, sagt sie. Ihre Augen leuchten. Nach der Anmeldung im Nebenraum, tritt sie vom Flur her ein. Um ihre Füße kringelt sich der Rauch. Auf der Illustration sieht der Raucher aus wie ein Idiot: Seine Kommilitonen wenden sich von ihm ab, denkt sie. Und: „Mein Professor sieht aus wie ein Professor.“
Auf seinem Tisch stehen zwei Kristallascher. In einem wölbt sich kalte Asche: Kunst. Im anderen türmen sich Plätzchen: auch Kunst. An Kunst darf man sich nicht vergreifen, denkt sie und behält ihre Finger im Schoß.
Als sie dann doch fragt, ob dies oder das eine Forschung wert wäre, weist er, ohne aufzublicken, aber mit einer ausschweifenden Bewegung auf den Stapel Papier, der sich vom Boden einen guten Meter in die Höhe türmt. Dass die unangebracht große Geste die Aschestengel auf dem Zigarettenstumpf nicht erschüttert, lässt sie den Blick senken.
Ohne ein Wort mit ihm gewechselt zu haben, kommt sie zu mir zurück, froh, diesen Professor zu haben. „Und nicht so einen anderen“, sagt sie. SONJA VOGEL
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