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Trojaner auf dem Vormarsch

CYBERKRIMINALITÄT Zehntausende Computer der Berliner Behörden haben ein völlig veraltetes Betriebssystem. Problem: Ab April gibt es dafür keine Sicherheitsupdates mehr

„Die Verwaltung öffnet ein Scheunentor für Cybercrime“

THOMAS BIRK, GRÜNE

VON HANNO BÖCK

Der Softwarekonzern Microsoft versucht seit Jahren, seine Kunden davon zu überzeugen, das 13 Jahre alte Betriebssystem Windows XP nicht mehr zu benutzen. Am 8. April dieses Jahres soll endgültig Schluss sein: Danach wird es von Seiten des Herstellers keine Sicherheitsaktualisierungen mehr geben – und jeder, der nach diesem Datum noch einen Computer mit Windows XP und einem Internetanschluss betreibt, gefährdet sich und andere. Systeme ohne Aktualisierungen sind anfällig für Viren und Trojaner und können von Kriminellen benutzt werden, um Daten auszuspionieren, Spam zu verschicken oder Angriffe auf andere Internetservices zu starten.

In der Berliner Verwaltung wird man das Betriebssystem allerdings über diesen Termin hinaus nutzen. Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei, antwortete auf eine Anfrage der Grünen, dass zwei Drittel aller Computer in Berliner Behörden noch mit Windows XP betrieben werden. Insgesamt sind das 48.000 betroffene Arbeitsplätze. Eine Umstellung soll erst im Lauf des Jahres 2015 stattfinden. Auf die Frage der taz, ob es ein Konzept gebe, zu verhindern, dass die betroffenen Computer durch Viren infiziert werden, war aus der Senatskanzlei bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu bekommen.

„Damit öffnet die Berliner Verwaltung ein Scheunentor für Cybercrime“, sagte Thomas Birk, Abgeordneter der Grünen. „Eine Umstellung der Betriebssysteme bis 2015 ist zu spät.“

PC-Anwender sollten generell dafür sorgen, dass sie Aktualisierungen für ihr System regelmäßig installieren. Denn ständig werden neue Sicherheitsprobleme entdeckt, Hersteller wie Microsoft stellen dann zeitnah Aktualisierungen bereit.

Überraschend kam das Ende der Windows-XP-Unterstützung nicht. Ursprünglich wollte Microsoft das System sogar nur bis Ende 2009 unterstützen. Doch 2007 beschloss der Konzern, den Support bis 2014 zu verlängern. Im vergangenen Jahr startete Microsoft nochmals eine Kampagne, um seine Kunden auf das Ende der Unterstützung aufmerksam zu machen.

Microsoft empfiehlt seinen Kunden den Umstieg auf die aktuellen Versionen Windows 7 oder Windows 8. Doch Berlin hatte ursprünglich einen anderen Plan. Schon 2004 hatte das Parlament den damals rot-roten Senat aufgefordert, zu prüfen, ob die Computer in der Verwaltung auf das freie Betriebssystem Linux umgestellt werden könnten. Damit wollte man sich vom Monopolisten Microsoft unabhängig machen. Vorbild war hierfür die Stadt München, wo inzwischen die Mehrzahl der Verwaltungsrechner unter Linux läuft.

Freie Software wie Linux wird nicht von einer einzelnen Firma entwickelt, das System kann von jedem kostenlos genutzt und auch bei Bedarf verändert werden. Doch die Pläne für den Linux-Einsatz in Berliner Behörden wurden nie in größerem Umfang umgesetzt. Bis heute sind nur wenige Rechner mit Linux im Einsatz. Offenbar plant die Verwaltung auch künftig, daran nichts zu ändern: Im Doppelhaushalt für 2014/2015 sind Ausgaben für Windows-7-Lizenzen eingeplant. Eine kurzfristige Umstellung ist kaum machbar, da in der Verwaltung viele Spezialanwendungen im Einsatz sind, die von Windows abhängen und nicht auf Alternativsystemen betrieben werden können.

„Es ist leider versäumt worden, frühzeitig nach Alternativen zu Windows zu suchen“, erklärt Matthias Kirschner von der Free Software Foundation Europe. „Eine Umstellung auf freie Software hätte zahlreiche Vorteile. Man wäre unabhängig von einem einzelnen Hersteller und hätte auch mehr Kontrolle über die eigene Infrastruktur.“

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