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Pralinen der Erinnerung

Seit April pendelt nach Jahren wieder ein Schiff auf „Minibutterfahrt“ zwischen Flensburg und Kollund. Zollfreie Güter heißen jetzt „Bordration“ und müssen noch auf See verzehrt werden, so will es das Gesetz. Der Rest ist Nostalgie und deutsch-dänischer Grenzverkehr

„15 Schiffe mit bis zu 700 Sitzplätzen waren hier im Einsatz“, erinnert sich Kapitän Klein. Manche Passagiere fuhren „drei- oder viermal pro Woche“ mit

VON MATHIAS BECKER

Drei Schachteln Zigaretten. Mehr Rauchwaren hat Claudia Hülsmann auf der 16.30-Uhr-Tour der „Feodora“ nicht verkauft. Die Packung für steuerfreie 2,50 Euro. Eine davon darf sie pro Fahrgast. aushändigen, als „Bordration“ Die Plastikhülle öffnet sie vorher. Das will das Gesetz.

Seit April legt das Schiff dreimal am Tag zu einer „Minibutterfahrt“ ab. Von Flensburg nach Kollund und zurück. Vorbei am kleinen Containerhafen, am etwas größeren Yachthafen und am letzten Fischereibetrieb der Bucht, kreuzt es die Flensburger Förde, pausiert kurz auf dänischer Seite – und tritt dann seinen Rückweg an. Gesamtdauer der Tour: anderthalb Stunden.

Das Schiff und sein Weg – das ist das alles, was von den berühmt-berüchtigten „Butterfahrten“ geblieben ist. In den Jahren nach dem Krieg waren sie der Weg zu Milch, Speck und eben Butter aus dem Nachbarland. Als der Wohlstand auch in Deutschland zu Hause war, wurde auf See zur Jagd auf zollfreie Luxusgüter geblasen.

Den großen finanziellen Vorteil sucht man heute vergeblich: Seit Juli 1999 sind Duty-Free-Verkäufe im EU-Binnenmarkt nicht mehr möglich. Heute bewegt die Menschen vor allem eines an Bord: die Nostalgie. Denn auch heute führt der Bordshop noch, was die „Petuhtanten“ – jene älteren Damen mit Partout-, also Dauertickets für die Butterfahrtschiffe – früher tonnenweise an Land schleppten: „Fazermint“-Pralinen oder Anthon Bergs „Plum in Madeira“ sind längst zu Klassikern avanciert. Sie helfen der Erinnerung auf die Sprünge. Sie wecken die Wehmut.

„Feodora“-Kapitän Alexander Klein, ein stämmiger Mann mit einem Bart wie ein Pelz, war damals erster Offizier. „15 Schiffe mit bis zu 700 Sitzplätzen waren hier im Einsatz“, erzählt er. Schiffe mit einen ausgewachsenen Supermarkt an Bord, der jenseits der Zollgrenze rituell gestürmt wurde. Pro Kopf durften eine Stange Zigaretten, eine Flasche Hochprozentiges, zwei Pfund Kaffee und 50 Milliliter Parfüm verkauft werden. „Die Alten kamen zum Teil drei- oder viermal pro Woche“, erzählt der Kapitän. Zwei Mark kostete die Anfahrt mit dem Bus, eine das Bootsticket. Den Rest verdiente der Reeder über den Verkauf. 100 Mark ließ jeder Fahrgast im Schnitt an Bord. „Am Ende der Fahrt haben die das Geld hier mit Schaufeln rausgetragen“, sagt Hülsmann und blickt auf die magere Bilanz des Tages. „Aber auch für die Senioren hat sich das gelohnt“, weiß sie. „Viele konnten zwei oder drei Stangen Zigaretten ergattern und in BH‘s und Thermoskannen am Zoll verbeimogeln.“

Doch das war längst nicht alles. „Auf den Butterfahrtsschiffen fand soziales Leben statt“, so Hülsmann. „Wir kannten uns hier alle – inklusive Krankengeschichte. Wenn jemand fehlte, hat man das sofort gemerkt. Das war so schrecklich. Und so schön“, sagt sie und ihr Blick sucht den Horizont.

Heute nutzen vor allem Tagesausflügler in beide Richtungen das schwimmende Pendel. Oder Gesellschaften: „Frisch gezapftes Pils kostet bei uns steuerfrei zwei Euro, vier Zentiliter Schnaps einsfünfzig – das lohnt sich, wenn man Gäste hat“, rechnet Kapitän Klein vor. Und der Vorteil ist: Die Pro-Kopf-Menge ist im Prinzip unbegrenzt. Aber: Die „Bordration“ muss unbedingt auf See verzehrt werden. Mitgenommen werden für die Lieben daheim, so wie früher, darf der Alkohol nicht mehr.

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