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Ein richtiger Sommer

Nicht alle freuen sich über die Hitze. Viele wagen sich nicht mehr ins Freie. Doch es gibt weniger Mücken als sonst

MÜNCHEN taz ■ Wie heiß es am Wochenende in München war, will man gar nicht so genau wissen, sonst geht das Gejammer wieder los. Irgendwo in der Mitte zwischen 30 und 40 Grad schwankte das Quecksilber, so wie in Restdeutschland. Ein vernünftiger heißer Sommer.

Doch die Hitze spaltet das Land, glaubt man den Untersuchungen des Focus. Jeder zweite Befragte gab an, sich mehr draußen aufzuhalten, aber jeder dritte bleibt wegen der Temperaturen im Haus. Die restlichen Fakten verwundern weniger: 50 Prozent der Deutschen essen Eis oder gehen schwimmen und ein Drittel hat sich eine Klimaanlage oder einen Ventilator angeschafft. Ebenfalls ein Drittel lernt oder arbeitet in diesen Tagen weniger.

Nicht nur die Menschen tun weniger, auch die Technik lässt nach. In Prag verzieht die Hitze das Glockenspiel in der Altstadt: Derzeit verliert die Uhr jede Woche 45 Sekunden. Die Berliner Bahnen packen die Temperaturen nicht mehr. Im Bahnhof Tempelhof und Südkreuz gab es zum Wochenende Weichenstörungen, weil sich Holzschwellen und Metallteile verformt hatten. Im Stellwerk Ostkreuz ist der Strom ausgefallen, weil ein Trafo im wahrsten Wortsinne durchbrannte.

Es ist also an der Zeit für „Maßnahmenkataloge“. Die IG Bau und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil fordern Hitzefrei für die 2,5 Millionen Bauarbeiter – die Möglichkeit sieht schon der jetzige Tarifvertrag vor, heißt es von Arbeitgeberseite. Und überhaupt können man ja auch am frühen Morgen oder abends arbeiten, da sei es ja kühler.

Besorgter gibt sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Von seinem Ferienhaus an der Côte d’Azur aus wies der Regierungschef alle Ministerien an, umfassende Vorkehrungen gegen Gefahren für Gesundheit und Umwelt zu treffen. So sollen die Heimaufsichten streng darauf achten, dass die Senioren genügend trinken. Gleichzeitig wurden die Feuerwehren und Förster in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, und teilweise wurde das Betreten der Wälder angeordnet. Nicht zu Unrecht, denn bei aller Sommerfreude kann die Hitze tatsächlich eine lebensgefährliche Belastung werden. In der Oberpfalz starb ein Mann, der in der prallen Sonne seine Fahrradkette reparieren wollte. Nach Angaben der Polizei stellte der Notarzt fest, dass der 43-Jährige wegen der großen Hitze einen Herzinfarkt erlitt. Am Mittwoch war bei einem Schulsportfest im Landkreis Cham ein 14 Jahre altes Mädchen gestorben, möglicherweise war auch hier die Hitze Ursache. In Köln beklagt sich die Bezirksregierung darüber, dass die Autofahrer zunehmend durchdrehen. So hätten sich verrückt gewordene Fahrer auf der A4 bereits mit Flaschen beworfen und in die Leitplanken gejagt. Im Landkreis Siegburg hat ein Allgemeinarzt seine Sprechstunde vor die Tür verlegt, weil es in seiner Praxis unterm Dach unerträgliche 56 Grad heiß ist.

Und so bald wird sich daran nichts ändern: Für diese Woche werden wieder Temperaturen bis 37 Grad vorhergesagt, und der Dienst Wetteronline geht davon aus, dass frühestens Ende des Monats mit einer deutlicheren Abkühlung zu rechnen sei – und dies auch nur in einzelnen Gebieten.

Da hilft ein Blick auf die positiven Aspekte. Nach Angaben des Umweltverbandes Nabu gibt es dieses Jahr deutlich weniger Mücken. Die Gewässer – der Lebensraum der Insekten – trocknen zunehmend aus. MAX HÄGLER

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