: berliner szenen Unter Luftgitarristen
Peinlich for Peace
Schon mal für den Weltfrieden gepost? An einer imaginären Gitarre die Finger verknotet, dazu dämliche Grimassen geschnitten, auf den Knien gerutscht? So sah die Gratwanderung zwischen Peinlichkeit und Stardom aus, die am Samstag bei der dritten deutschen Luftgitarrenmeisterschaft im Kesselhaus geboten wurde. Ein in Finnland erfundener Contest, den man als Körperkaraoke bezeichnen könnte.
Harte Gitarrenbretter von Manowar bis Limp Bizkit sind die akustischen Vorlagen, zu denen die Solisten leidenschaftlich pantomimisch gniedeln. „Das macht beide Seiten glücklich, den Kandidaten auf der Bühne und das Publikum. Wenn alle Leute Luftgitarre spielen würden, wäre das ein großer Beitrag zum Weltfrieden“, sagt die Finnin Marika Lamberg, Mitbegründerin der Disziplin, in der sich die Teilnehmenden als Bühnenstars und kreischendes Fanpublikum inszenieren. Offenbar bildet Luftgitarrespielen auch die Persönlichkeit weiter: „Ich hab ne Weile nachgedacht – und dann einfach umgesetzt, was ich in all den Jahren wollte“, lautet ein Statement aus dem Backstageraum. Und: „Fehlermachen ist erlaubt, man hört’s ja nicht.“
Die Jury bewertet nach Kriterien wie künstlerischer Gesamteindruck, Originalität und Charisma. Doch letztlich scheint nicht wichtig zu sein, wer gewinnt. Am Ende jammen alle zehn Teilnehmer fröhlich vereint zum Siegertitel von Airgitarrist Christian Sweep, Alice Cooper’s „Feed my Frankenstein“. Dass der Abend einen Beitrag zum Weltfrieden geleistet hat, sieht man am beseelten Grinsen der Leute noch auf dem Weg zur U-Bahn. „Das nächste Mal muss ich unbedingt mitmachen“, verkündet eine blonde Frau, wirft sich probeweise in Pose und lacht. GESCHWISTER KRITZOKAT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen