: Sri Lankas Waffenstillstand wird Fiktion
Im Osten Sri Lankas brechen schwere Kämpfe zwischen Rebellen der Tamil Tigers und den Regierungstruppen aus. Vordergründig geht es um die Kontrolle eines wichtigen Wasserreservoirs, doch letztlich geht es um die regionale Vorherrschaft
AUS DELHI BERNARD IMHASLY
Sri Lanka bewegt sich immer mehr auf einen neuen Bürgerkrieg zu. Am Montag kamen 64 Soldaten und Rebellen bei Anschlägen und Gefechten ums Leben. Die Kämpfe setzten sich auch gestern fort. So attackierten die Rebellen ein Marineschiff mit Truppenverstärkung vor Trincomalee. Nur eine fehlende Kriegserklärung unterscheidet die Kämpfe noch von einem regulären Waffengang.
Bei den Kämpfen geht es um die Kontrolle eines Wasserreservoirs im Osten des Landes, dessen Schleusen von der LTTE (den Tamil Tigers) geschlossen worden waren. Statt dass das Wasser wie bisher 15.000 singhalesischen Siedlern zugute kommt, wollen die Rebellen es in tamilische Küstendörfer fließen lassen. Für die Armee war dies die Gelegenheit, erstmals mit Bodentruppen und Luftangriffen die Stellungen der Tamil Tigers anzugreifen. Vierzig Rebellen sollen dabei umgekommen sein.
Die LTTE reagierte mit Artillerie- und Mörserbeschuss. Am gleichen Tag explodierte in der Region ein Militärbus, 18 Soldaten starben. Fünf weitere Soldaten wurden bei einer Minenexplosion auf der Jaffna-Halbinsel im Norden getötet. Am Ende des Tages erklärte der Politkommissar der LTTE im östlichen Trincomalee: „Der Krieg hat begonnen, und wir sind bereit.“ Die oberste LTTE-Führung in Kilinocchi dementierte die Aussage nicht, bestätigte sie aber auch nicht.
Nach Meinung der von Norwegen geführten Mission zur Überwachung des Waffenstillstands hängt dieser nun an einem dünnen Faden. Sie hält an seinem Weiterbestehen nur deshalb fest, weil das Abkommen eine Kündigungsfrist von 14 Tagen vorsieht. Einen solchen Schritt hat keine der beiden Seiten bisher getan. Das Abkommen von 2002 sei nun in größerer Gefahr denn je, sagte der Missionssprecher.
Dass die LTTE an einem Verbleiben der nordischen Beobachter immer weniger interessiert ist, zeigt die Insistenz, mit der sie den Abzug der Teams aus den EU-Ländern Schweden, Finnland und Dänemark forderten. Die EU hatte die LTTE vor zwei Monaten offiziell als Terror-Organisation eingestuft. Damit könnten EU-Vertreter in der Kommission nicht mehr als neutral angesehen werden, so die LTTE. Der Abzug von Schweden, Finnen und Dänen halbiert die Personenstärke der Mission und droht sie zu lähmen, da nur noch Norweger und Isländer geduldet werden.
Auch die Regierung in Colombo unternimmt nichts, wenn Koalitionspartner und alliierte Parteien den Abzug der Mission fordern. Premierminister Mahinda Rajapakse erteilt seinen Regierungsmitgliedern auch keinen Maulkorb, wenn diese die Trennung der Nordostprovinz in zwei Provinzen fordern, obwohl dies für die LTTE ein rotes Tuch ist.
Die Kontrolle über den Osten könnte der Grund sein, warum beide Seiten den offenen Kampf nicht mehr scheuen. Seit vor zwei Jahren der LTTE-Kommandant im Osten, Oberst Karuna, die Seiten wechselte, büßte die LTTE dort ihr Herrschaftsmonopol ein. Sie verlor damit nicht nur die Kontrolle über tamilische Bevölkerungszonen an Karuna. Auch die Armee arbeitete im Stillen daran, die strategisch wichtige Stadt Trincomalee mit ihrem Tiefseehafen und die fruchtbare Region von Batticaloa nicht an die LTTE zu verlieren.
Die Übernahme des Wasserreservoirs Mavil Aaaru im Hinterland von Trincomalee wird in Colombo als Versuch der LTTE gewertet, ihre Position in den tamilischen Dörfern dort zu festigen. Für die Armee ihrerseits könnte dieser Überfall willkommener Anlass sein, sich in dieser Gegend um den Hafen mit seinen großen Erdöllagern in Position zu bringen, falls der Krieg wieder voll ausbricht. Er begann 1983 und forderte seitdem mehr als 65.000 Todesopfer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen