: Wo Leid geteilt wird, wird es lustig
LIEBESKUMMER Bernd Müllender, 57, Journalist, wurde mal Felpudist
Wir trafen uns kurz vor Weihnachten im Valle Gran Rey auf Gomera, gut zwölf Jahre ist es her. Wir kannten uns alle nicht. Wir waren sechs oder sieben, vier hatten einen Spanischkurs belegt.
„Felpudo“ hatten die Spanisch-Schüler gerade gelernt, kein sehr wichtiges Wort. Plötzlich sagte A., so käme sie sich auch vor: wie ein Felpudo, ein Fußabtreter, auf dem ihr Freund, den sie abgöttisch geliebt hatte, herumgetrampelt war. Herumgetrampelt auf ihrer kleinen schmerzenden Seele.
A. hatte etwas geahnt und war ihm nachgestiegen. Und zwar im wörtlichen Sinn: Vor sein Schlafzimmerfenster im 1. Stock hatte sie nachts leise Mülltonnen aufeinandergestellt – zu was man in solchen Momenten doch fähig ist – war draufgeklettert und hatte ihn mit der anderen gesehen, beobachtet. Wie in Trance, die ganze lange Nummer. Das Schwein! Die Andere war ihre beste Freundin.
Beim Wein erzählten dann alle ihre Geschichte. Alle waren wir dem Liebesleid entflohen, dem Schmerz, dem Betrogensein.
D. hatte es besonders erwischt. Er lebte in Genf, hatte gerade mit seiner Liebsten aus Hamburg vereinbart, dass sie zu ihm ziehe. Er hatte sogar schon eine Wohnung gefunden.
Dann kam der 11. September: Während D. mit offenem Mund die Türme im Fernsehen einstürzen sah, rief seine Freundin an. Nein, sie wolle nicht, nein, sie könne nicht. Es sei aus. Ohne nähere Gründe. Aufgelegt. Er hat sie nie wieder gesehen. D. hatte das Entsetzen immer noch in den Augen.
Beim nächsten Glas Tinto gründeten wir den Club der Felpudisten. Die getretenen Opfer. Sogleich fühlten wir uns besser, fast stark. Sogar der arme D. konnte das Leid weglachen.
Monate später hatte ich mit A. einen Sommer lang die leidenschaftlichste Affäre meines Lebens. Eine Frau wie ein Wunder: Gleichzeitig vögeln und dabei Fußball-WM gucken, ihr gefiel das wie mir. Noch heute haben wir einen liebevollen Kontakt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen