urdrüs wahre kolumne: Wer wird Deutscher Meister?
In religiöse Ratlosigkeit treibt mich das jetzt verkündete Motto für den nächsten evangelischen Kirchentag im kreuzkatholischen Köln, wo sich die Protestantenheit doch tatsächlich unter dem Slogan „Lebendig und kräftig und schärfer“ treffen soll, der mir nun wirklich allzu sehr nach einer Melange aus Olympischen Spielen, Pornofilm-Festival und Tim Mälzers Küchenshow klingt. Um ähnlichen Missgriffen für das Treffen anno 2009 in Bremen rechtzeitig zu begegnen, schlage ich dem jüngst konstituierten Projektteam dort schon mal ziemlich ernstgemeint die Losung „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“ vor.
Dass Treue im Club von Uwe Seeler noch kein leerer Wahn ist, belegt die Tatsache, dass der Hamburger Sportverein auch nach dem Koks-Gerummel um Lotto King Karl an seinem Stadionsprecher festhält. Kompliment – jetzt muss nur noch das schäbige Unwort „AOL-Arena“ wieder durch „Volksparkstadion“ ersetzt werden und schon könnte man dem HSV für diese Saison einen schönen dritten Platz wünschen – hinter Werder Bremen und dem SC Freiburg!
Morgen verabschiedet sich die rundum gelungene Ausstellung „Sexarbeit“ aus dem Hamburger Museum der Arbeit und zieht über Bern weiter ausgerechnet nach Wien, wo die Mutzenbacherin schon wartet und die Menschen im Bordell Coupons sammeln, um damit a Packerl Kaffee beim Meindl mit Rabatt und Mozart-Bildchen zu erwerben.
So erfreulich die vorläufige Rettung der Braunschweiger Traditionsmarke Wolters auch für norddeutsche Biertrinker und Antimonopolisten ist, so deprimierend ist die Tatsache, dass sich selbst in den allerszenigsten Alternativkneipen kein Wirt und offenbar auch kaum ein Gast damit auseinander setzt, dass überall die Heuschrecken-Plörre des Inbev-Konzerns – von Gilde und Hasseröder bis hin zu Beck‘s – aus den Zapfhähnen schwappt. Ein Zeichen gegen die Fernsehbier-Produzenten zu setzen und überall so wunderbare Getränke zu kredenzen wie etwa das familiäre Schaumburger Edel Herb, das süffige Dithmarscher oder das herzerfreuliche Barre-Bräu – wäre dies zu fördern nicht ein Kampf, der den Schweiß der Edlen wert wäre? Diskutiert dies bitte heute noch mit dem Wirt eures kindlichen Urvertrauens – und wenn er nicht Gefangener seiner Brauerei-Schulden ist, möge er mit euch das Joch abschütteln. Das Leben ist zu kurz, um mit Konzernbieren vertändelt zu werden!
In Bremen führte ein langgedienter Redakteur des Weser-Kurier vor Jahr und Tag noch seinen publizistischen Kampf gegen Junkie-Nutten und andere Störfälle seines Wohnumfelds und hatte damit wenigstens den nachbarschaftlichen Betroffenheits-Bonus auf seiner Seite. Wie er aber jetzt in der immer noch recht großen Heimatzeitung mit Pöbels Stimme und ausländerfeindlichem Grundton eine boshafte Kampagne gegen Straßenmusiker inszeniert, das qualifiziert den gelernten Viertelbewohner als Pressesprecher für jede neue Schill-Partei. Was immer noch besser wäre, als wenn er sich selbst als Sänger seiner traurigen Moritaten betätigen würde …
Den schönsten Samstag dieser Woche wünscht sich und den allermeisten von Euch und Ihnen ULRICH „Streetwise“ REINEKING
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