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Wackelnde Windeln

Super-RTL ist auf Promo-Tour durch NRW: Der Auftritt erinnert allerdings an evangelische Gemeindefeste

Alles war wie in der Glotze. Thomas, die kleine englische Lokomotive, stand mannshoch gebaut aus Lego-Steinen. Der verrückte Pappmachéfrosch „Crazy Frog“ hopste unbeholfen auf der Bühne und sang playback den neuesten Hit. Spätestens als sich die kleinen Besucher wie ihre Trickfilmheldin „Kim Possible“ an einem Seil von Hochhaus zu Hochhaus schwingen durften, war die Trennung von Animation und Wirklichkeit aufgehoben.

Damit Kinder auch glauben, was sie im Fernsehen sehen, schickt der Kölner Kindersender Super-RTL jedes Jahr eine Karawane durchs Land. Mit aufblasbaren Trickfilmkulissen, Gruselzelten und natürlich einem Andenkenshop. Am vergangenen Wochenende machte der Truck Station im Düsseldorfer Medienhafen. „Ihr Kinder seid die Helden“, lautete die Super-RTL-Message. Im Showprogramm wurde dafür live zelebriert, was sonst nur im Kiddy-TV läuft. Doch einiges erinnerte, wie das altbackene Geschicklichkeitsspiel „Klingeldraht“, eher an ein evangelisches Gemeindefest, oder ähnelte dem Format „Wer wird Millionär“, allerdings konzipiert für Grundschulkinder. Die Moderatorin Nina Moghaddam hatte Mühe, ihr Genervtsein im Angesicht dutzender kreischender Kinder lächelnd zu verbergen: „Was gibt es tatsächlich: einen computergesteuerten Schultornister, ein Hotel auf dem Mond oder die Kreuzung zwischen Schwein und Spinat.“ Gentechnik-Kritiker hätten richtig befürchtet, Antwort C sei richtig.

Besonderer Höhepunkt des Nachmittags war der Auftritt der Band „banaroo“. Die zwei Mädchen und zwei Jungs im eher schon gesetzteren Teenyalter waren der Schwarm aller anwesenden Kindergartenkinder. Mit ihren Videoclips sind sie mehrmals täglich auf Super-RTL zu sehen. Aber jetzt traten sie den Beweis an – es gibt sie wirklich. Sie sind tatsächlich keine Computeranimation, sondern Jugendliche aus Fleisch und Blut. Und so hüpften sie umher und sangen: „Shake your body, you are out of control!“ Begeistert wackelten zum heißen Rhythmus windelgeschwollene Popos von kleinen Mädchen, die gerade stehen konnten. Natürlich könnte nun unter erziehungs- und kulturwissenschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert werden, dass sexualisierte Jugendkultur in den Laufställen der Republik immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Doch medienkritisch eingestellte Erwachsene waren am Medienhafen eher die Ausnahme. Viele der anwesenden Eltern ließen sich lieber einmal von ihren Sprößlingen zeigen, was die sich in der Glotze anschauen, wenn Papa und Mama am Sonntag ausschlafen wollen. Auch das ist ein Hintergrund der Veranstaltung – die Akzeptanz der Eltern fürs Kinder-Programm soll gefördert werden. Doch funktionierte das? Ja, klar: Der siebenjährige Daniel hat gerade beim Klingeldraht den Trostpreis erhalten, das aktuelle Mickey-Maus Heft. Sekunden später las der Vater darin und kümmerte sich um nichts mehr. Die RTL-Mission wurde also wohl in dieser Hinsicht erfüllt. Schließlich gehört die Superabteilung des Senders zu 50 Prozent der Walt Disney Company. LUTZ DEBUS

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