: Zwischennutzer zittern ab nächstem Jahr
Hinter der East Side Gallery haben sich Strandbars und Kulturveranstalter angesiedelt. Langfristig müssen sie sich nach neuen Plätzen umsehen. Der Bezirk plant einen Uferpark von der Oberbaumbrücke bis zum Ostbahnhof
Das Spreeufer zwischen Oberbaum- und Schillingbrücke ist derzeit einer der entspanntesten Orte Berlins. Auf Friedrichshainer Seite laden die Beach-Bars „Speicher-Strand“, „Space Beach“ und „Oststrand“ zum Liegen im Sand ein, das als East Side Gallery bekannte bemalte Mauerstück bildet eine dramatische Kulisse dazu. Auf Höhe des Ostbahnhofs bietet der Alternativ-Treff „Yaam“ Basketball, Reggae und afrikanische Küche, daneben führt „Shake!“ Shakespeare im Zelt auf.
Zwar wird die gestern angelaufene Neustrukturierung des Geländes mit Uferpromenade und Anschutz-Arena der ungezwungenen Idylle noch nichts anhaben können. Langfristig aber wird es für die Zwischennutzer hinter der East Side Gallery eng: Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg lädt vom 25. August bis 9. September zum Gestaltungsworkshop für einen „Spreepark“. Dieser soll sich nordwestlich an die Promenade anschließen und die Neugestaltung des Ufers komplett machen.
Auch das Büro Häfner/Jimenez, nach dessen Plänen nun die Uferpromenade gebaut wird, ist eingeladen. Landschaftsarchitekt Winfried Häfner sieht schon eine weitläufige urbane Flaniermeile mit „wertvollem Wasserblick“ vor sich. Liegestühle und Shakespeare kommen in den Architektenträumen nicht vor.
Christian Schulz, Betreiber des „Oststrands“, sieht die Entwicklung ganz nüchtern. „Anschutz-Arena und Promenade werden das Ufer kommerzialisieren“, sagt er. „Die Strandbars werden weiterwandern, eine ganz normale Berliner Entwicklung eben“, sagt der Unternehmer. Für seinen „Oststrand“ rechnet Schulz noch mit einer Gnadenfrist. „Wir stehen auf Privatgrund“, erklärt er. Das 3.000 Quadratmeter umfassende Areal und der angrenzende „Space Beach“ sind Teil des geplanten Kolpinghauses, das vom Bund verwaltet wird. „Hier wollten schon viele bauen“, winkt Schulz ab, „ich würde mich nicht wundern, wenn wir auch nächstes Jahr noch da sind.“
Für die die Strandbar des „Speichers“ gilt eine kürzere Frist. Die von Berlinern abfällig „Landei-Abfangstation“ genannte Location an der Oberbaumbrücke muss schon jetzt dem Spreeufer-Park weichen.
Auch Ortwin Rau hat konkrete Verdrängungsängste. Er betreibt gegenüber vom Ostbahnhof am nordwestlichen Ende der East Side Gallery das „Yaam“. Der privat finanzierte Multikulti-Treff irrt seit zwölf Jahren ohne festen Mietvertrag umher. Der Eigentümer des Grundstücks, auf dem auch das „Shake!“-Zelt steht, verlängert den Mietvertrag nur halbjährlich. Drei Bürohochhäuser sind dort geplant und genehmigt, bei Baubeginn müssen „Yaam“ und „Shake!“ weichen. „Alles Liebenswerte wird von kommerziellen Großprojekten verdrängt“, klagt Rau und wirft dem Bezirk vor, ein authentisches Stück Berlin zu verscherbeln.
Das Einzige, was auch weiterhin am Ufer stehen bleibt und den Blick von der Mühlenstraße aufs Wasser verstellt, ist die über einen Kilometer lange Mauer. Die ist denkmalgeschützt.
NINA APIN
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