Mit jedem Dopingfall steigen die Chancen für sauberere Wettkämpfe: Der Zuschauer verliert, der Sport gewinnt
Am besten, man reagiert ganz einfach mit einem müden Schulterzucken: Das amerikanische Sprint-Girl Marion Jones wurde positiv auf Epo getestet. Na und? Spektakulär ist das nicht. Empörung darüber, dass sich die dreifache Olympiasiegerin von Sydney verbotene Substanzen in die Venen gedonnert hat, kann man sich sparen. Denn sonst hätte man davon ausgehen müssen, dass Jones vorher ein supersauberes Image gehabt hätte. Marion Jones wurde zwar noch nie positiv getestet, aber sowohl ihr privates als auch ihr sportliches Umfeld wimmelt nur so von überführten Dopingsündern, dass es schon sehr erstaunlich gewesen wäre, wenn sie wirklich der Versuchung der unerlaubten Leistungssteigerung hätte widerstehen können.
Es ist prima, dass Frau Jones nun ertappt wurde. Zugegeben, es ist schade, dass man als Zuschauer mit jedem Dopingfall immer mehr die Lust verliert, Sportereignisse anzuschauen. Die Liste der verbotenen Sportarten scheint immer länger zu werden: Leichtathletik, Tour de France, Skilanglauf, auch Schwimmen und Rudern. Das ist zwar bedauerlich. Viel wichtiger ist doch, dass mit jedem überführten Dopingsünder die Chancen für einen saubereren Sport steigen. Keinen ganz cleanen, aber einen etwas weniger verdreckten. So gesehen gehören positiv getestete Sportler wie Marion Jones und die aufgeflogenen großflächige Dopingaffären zwar nicht auf den Wunschzettel der Funktionäre, Dopingfahnder und Sportinteressierten. Sie sind aber ein Zeichen für ein halbwegs funktionierendes Kontrollsystem und sorgen vielleicht dafür, dass der ein oder andere Sportler die Finger vom Doping lässt.
Wenn man von einem sauberen Sport eh nicht mehr ausgehen kann, dann also bitte möglichst viele positive Fälle. Denn diese spiegeln nun mal – leider – die Wirklichkeit. Es würde vermutlich zu weit gehen, angesichts der zurzeit sich häufenden Dopinggeschichten von reinigenden Gewittern zu sprechen. Aber mit ertappten Dopingsündern im Spitzensport muss man sich ebenso abfinden wie mit doofen Regentagen. Und die sind auch manchmal gar nicht so schlecht. JUTTA HEESS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen