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Der Wille zur Privatisierung

CHRONOLOGIE Wie Hamburgs Kliniken an den Asklepios-Konzern verkauft wurden. Ein Lehrstück

1981 schlossen sich in Hamburg die zehn im städtischen Besitz befindlichen Kliniken zum Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) zusammen, um effizienter wirtschaften zu können.

1995 wurde der LBK in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt und damit rechtlich selbstständig. Umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen begannen.

1996 wurde so das seit 1900 bestehende Hafenkrankenhaus geschlossen, 1998 wurde das AK Ochsenzoll mit dem AK Heidberg zum Klinikum Nord zusammengelegt.

2000 folgte der Verkauf von 50 Prozent des AK Bergedorf an das evangelische Krankenhaus Bethesda. Darüber hinaus begann die LBK-Leitung mit dem Auslagern von Serviceleistungen wie Reinigung, Apotheke und Wäscherei in eigene Tochterunternehmen.

Im September 2001 übernahm eine Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP nach 44 Jahren SPD-Herrschaft die Regierungsgeschäfte in Hamburg.

Im Dezember 2003 beschloss der neue Senat nach einer internationalen Ausschreibung, dem privaten hessischen Klinikbetreiber Asklepios Anteile am LBK zu verkaufen. Drahtzieher war der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner. Da Asklepios-Inhaber Bernard gr. Broermann zum Verwaltungsrat einer Versicherung gehörte, als Peiner dort im Vorstand saß, warf die SPD dem Senat Vetternwirtschaft vor.

Am 29. Februar 2004 beteiligten sich 788.563 Hamburger Bürger an einem Volksentscheid, den Gewerkschaften und soziale Gruppen unter den Slogan „Gesundheit ist keine Ware“ organisiert hatten. 593.497 stimmten gegen den Verkauf, das waren 76,8 Prozent der Stimmen. Da die mittlerweile allein regierende CDU um Bürgermeister Ole von Beust den Volksentscheid als nicht bindend einstufte, zogen dessen Initiatoren vor das Hamburger Verfassungsgericht.

Am 15. Dezember 2004 bestätigte das Gericht die Sichtweise der CDU. Einen Tag später beschloss die Bürgerschaft, den LBK zu 74,9 Prozent an die Asklepios-Kliniken GmbH zu verkaufen. Als Kaufpreis wurden knapp 320 Millionen Euro vereinbart, wovon 75 Millionen ertragsabhängig waren und nicht bezahlt werden mussten, da der erwartete Ertrag ausblieb. Der LBK wurde in eine Betriebs- und in eine Besitz GmbH aufgesplittet.

Zum 1. Januar 2005 übernahm Asklepios 49,9 Prozent der Anteile der Betriebs GmbH sowie das Management der Krankenhäuser.

2007 folgten weitere 25 Prozent. Hamburg behielt einen Anteil von 25,1 Prozent, die Immobilien sowie die Pensionsverpflichtungen der ausgeschiedenen Beschäftigten. Asklepios wurde damit zum größten Klinikbetreiber in Hamburg und zu einem der größten in Europa.

2006 musste Asklepios ein Krankenhaus verkaufen, um eine marktbeherrschende Stellung zu verhindern: Das ehemalige Krankenhaus Eilbek ging für 80 Millionen Euro an die ebenfalls privaten Schön-Kliniken.

Zwischen 1995 und 2005, dem Beginn der rechtlichen Selbstständigkeit und dem Verkauf an Asklepios, sollen am LBK 5.689 Stellen abgebaut worden sein.

2012 hatte der Asklepios-Konzern insgesamt 34.037 Mitarbeiter und erwirtschaftete bei einem Umsatz von 2,98 Milliarden Euro einen Überschuss von 112,9 Millionen Euro.  NIELS HOLSTEN

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