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BARBARA BOLLWAHN LEUCHTEN DER MENSCHHEITGeschichts- studien im Ferienzimmer

Allein das Jubiläum „25 Jahre Mauerfall“ ist kein Garant, dass eine weitere Publikation über die Mauer auch interessant ist. Doch das Buch „Zwischen Stacheldraht und Strandkorb“ aus dem Boltenhagen Verlag (2014) erzählt nicht nur von den zum Teil absurden Folgen der Teilung. Mit ihm lässt es sich auch vortrefflich auf die Suche nach Spuren der Teilung gehen.

Der Autor Dorian Rätzke, Jahrgang 1971, hat mit Zeitzeugen gesprochen, in Archiven bislang unveröffentlichte Dokumente gefunden und einen „Report über Irrtümer und Tragödien, Opfer und Täter, Schuld und Sühne“ geschrieben, der von einem lesenswerten Anhang aus Dokumenten und Zeitzeugnissen ergänzt wird.

Der Dassower See zum Beispiel. Bis zur Wiedervereinigung war der Uferbereich Sperrgebiet. Das Gewässer und sein Ufer gehörten zu Lübeck. Die DDR baute um den See eine Mauer, damit die Bürger ihn nicht sehen konnten, auf Postkarten fehlte er. Heute erinnert noch ein Grenzturm am Ufer, versteckt im Wald, daran.

Zu den stummen Zeugen der Geschichte gehören ebenso Ruinen von Armeegebäuden, Grabsteine an Straßenrändern, die von abgerissenen Friedhöfen stammen, Reste des original Streckmetallzauns, dessen verzinktes Metallgitter zum Teil aus dem Westen stammte, oder das Wasserschloss zwischen Dassow und Travemünde. In dem oscarnominierten Film „Das weiße Band“ diente es als Kulisse. Die bis heute andauernde Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Dassow und dem neuen Eigentümer lassen das Schloss weiter verfallen.

Mietet man in der „Villa Seeblick“ in Barendorf ein Ferienzimmer, kommt man der Geschichte besonders nah. 1953 wurde das Haus enteignet und sollte abgerissen werden. Nachdem die Besitzer nach Kiel geflüchtet waren, installierte die Stasi eine Abhöranlage mit Späh-Turm, Funkmasten, Parabolspiegel, 115 Telefonanschlüsse und 13 Fernschreiber.

Nur bei einem Geschichtszeugnis wurde „getrickst“. In einem Garten in Nordwestmecklenburg steht ein Stück Mauer, das aus Sachsen-Anhalt stammt. Um es aufzustellen, brauchte der Besitzer eine „Genehmigung für die Errichtung einer Mauer aus historischem Material“ und einen Nachweis, dass sie nicht umfällt.

Die Autorin ist Schriftstellerin und schreibt für die taz Foto: privat

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